Ausgeprägte Konjunkturschwäche in Deutschland

IfW Kiel, Pressemitteilung vom 18.12.2012

Das schwache außenwirtschaftliche Umfeld und die Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik zur Bewältigung der Krise im Euroraum belasten weiterhin die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Insgesamt haben sich die Konjunkturaussichten gegenüber unserer Herbstprognose deutlich eingetrübt. Für das kommende Jahr prognostizieren wir einen schwachen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um lediglich 0,3 Prozent (gegenüber 1,1 Prozent in der Herbstprognose). Für das übernächste Jahr erwarten wir eine Expansion um 1,5 Prozent – auch dieser Wert bleibt unter unserer bisherigen mittelfristigen Projektion zurück. Die Flaute im Außenhandel dürfte nur nach und nach überwunden werden. Zwar werden von den binnenwirtschaftlichen Triebkräften im Verlauf des Prognosezeitraums wohl zunehmend stärkere Impulse auf die Produktion ausgehen, diese sind aber im kommenden Jahr noch zu schwach, um einen weiteren Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Kapazitätsauslastung aufzuhalten. Dementsprechend dürfte auch die unternehmerische Investitionstätigkeit zunächst sehr schwach bleiben und sich erst im übernächsten Jahr spürbar beleben, sofern das Vertrauen dann nicht abermals durch eine Zuspitzung der Krise im Euroraum erschüttert wird. Der Beschäftigungsaufschwung ist vorerst vorbei, allerdings ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Erwerbstätigen nahezu stagnieren wird – dies ist angesichts der schwachen gesamtwirtschaftlichen Expansion im kommenden Jahr ein stabilisierender Faktor für die Konjunktur. Die Risiken für die Preisstabilität werden trotz der derzeitigen konjunkturellen Schwächephase größer. Bei einer für die deutsche Volkswirtschaft weiterhin extrem expansiv aus-gerichteten Geldpolitik könnten sie sich schon bald materialisieren. Das Defizit in den öffentlichen Kassen dürfte im kommenden Jahr wieder etwas zunehmen. Hierzu tragen sowohl konjunkturelle Effekte als auch expansive Maßnahmen der Finanzpolitik bei.

Das Expansionstempo der deutschen Volkswirtschaft hat sich im Verlauf dieses Jahres mehr und mehr abgeschwächt. Im dritten Quartal betrug der Zuwachs nur noch 0,9 Prozent. Die Auslastung der industriellen Produktionskapazitäten ist im Trend seit sechs Quartalen rückläufig und verfehlt derzeit den Normalwert um etwa 3 Prozentpunkte. Anregungen kamen zuletzt lediglich vom Außenhandel, auch wenn sich die Dynamik bei den Ausfuhren deutlich abgekühlt hat. Die letzte inländische Verwendung blieb nahezu konstant. Während die Ausrüstungsinvestitionen abermals merklich nachgaben, legten die Bauinvestitionen – getragen von einem lebhaften Wohnungsbau – merklich zu. Auch die privaten Konsumausgaben expandierten, da die privaten Haushalte ihre Sparneigung etwas einschränkten.

In der ersten Hälfte des Prognosezeitraums dürfte die deutsche Volkswirtschaft eine konjunkturelle Schwächephase durchlaufen. Ausschlaggebend hierfür sind die dämpfenden Effekte, die von der schwächeren Weltkonjunktur einerseits und der Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik als Reaktion auf die Krise im Euroraum andererseits ausgehen. Somit können die ansonsten günstigen Rahmenbedingungen – vor allem die historisch niedrigen Zinsen – nicht ihre sonst zu erwartende Wirkung entfalten.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte im Schlussquartal dieses Jahres sinken – mit 1,2 Prozent sogar recht kräftig. Maßgeblich hierfür sind die Ausfuhrflaute sowie die abermals rückläufigen Unternehmensinvestitionen. Gegenüber dem Vorjahr dürfte die Produktion im Gesamtjahr um 0,7 Prozent zugelegt haben.

Es gibt jedoch erste Anzeichen, dass sich die Konjunktur wieder fängt und somit ein größerer Einbruch ausbleibt. So haben sich die Geschäftserwartungen erstmals seit der Mai-Befragung wieder etwas aufgehellt. Auch dürfte die deutsche Exportwirtschaft im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums vom moderaten Anziehen der Weltkonjunktur profitieren, auch wenn für den übrigen Euroraum zunächst noch eine sehr schwache Entwicklung in Aussicht steht. Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis auch der Investitionsmotor bei den Unternehmen wieder anspringt. Zunächst noch sinkende Auslastungsgrade werden wohl einem verstärkten Aufbau der Produktionskapazitäten im kommenden Jahr noch entgegenstehen. Demgegenüber wird die Investitionstätigkeit im Wohnungsbau voraussichtlich über den gesamten Prognosezeitraum hinweg deutlich aufwärts gerichtet bleiben, ebenso wie die Baupreise. Konjunkturstützend dürften ferner die privaten Konsumausgaben wirken, nicht zuletzt weil die Einkommenserwartungen durch den insgesamt robusten Arbeitsmarkt stabilisiert werden. Auch Abgabensenkungen wirken im kommenden Jahr stimulierend. Alles in allem erwarten wir für das kommende Jahr nur eine geringe Produktionszunahme um 0,3 Prozent. Im übernächsten Jahr dürfte sich das Expansionstempo auf 1,5 Prozent beschleunigen, sofern neue Hiobsbotschaften durch die Krise im Euroraum ausbleiben. Damit bleibt die deutsche Volkswirtschaft jedoch im gesamten Prognosezeitraum unter ihren Produktionsmöglichkeiten.

Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich zuletzt weiter eingetrübt, allerdings schlägt hier auch die Rückführung des aktiven arbeitsmarktpolitischen Instrumenteneinsatzes zu Buche. Zuletzt waren 2,94 Millionen Personen offiziell als arbeitslos registriert. Die schwächelnde Produktion wird im kommenden Jahr auch am Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen, wo konjunkturelle Schwankungen nach dem Auslaufen der strukturellen Agenda-Effekte nun wieder deutlicher sichtbar werden. Im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Arbeitslosenzahl etwas über 3 Millionen steigen und bis Ende des übernächsten Jahres allmählich wieder darunter sinken. Die Arbeitslosenquote dürfte sich im Jahresdurchschnitt jeweils auf 7 Prozent belaufen.

Die Inflationsrate dürfte trotz der Konjunkturflaute im nächsten Jahr nicht sinken, sondern die Verbraucherpreise werden wohl abermals um 2 Prozent zulegen. Der anhaltende Lohnkostendruck und die sich wieder verbessernde Auslastung dürften dazu führen, dass sich der Preisauftrieb im übernächsten Jahr verstärkt, für das wir mit einer Inflationsrate von 2,6 Prozent rechnen. Je länger die EZB an ihrer expansiven Geldpolitik festhält, desto unsicherer wird es, ob sie ihr Inflationsziel für den Euroraum und damit insbesondere auch für Deutschland wird einhalten können. So gerät sie im Zuge ihrer OMT-Ankündigung mehr und mehr in die Abhängigkeit von der Finanzpolitik. Auch kann die Rolle, die ihr bislang bei der Finanzmarktstabilisierung zugefallen ist, in Konflikt mit der Geldwertstabilität geraten. Schließlich bleibt abzuwarten, ob die Geldpolitik angesichts einer über längere Zeit voraussichtlich sehr fragilen konjunkturellen Entwicklung in den Krisenländern dem geldpolitischen Stabilitätsziel uneingeschränkte Priorität beimessen wird. Zwar lässt sich nicht mit Bestimmtheit voraussagen, über welche Kanäle sich die Inflationserwartungen entankern könnten, das diesbezügliche Risiko wird derzeit jedoch von Monat zu Monat größer.

Ein nahezu ausgeglichener Staatshaushalt ist für das kommende Jahr – anders als im Jahr 2012 – nicht mehr in Sicht. Stattdessen steht ein Defizit in Höhe von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwarten. Hierin schlagen sich nicht nur die schwächere Konjunktur, sondern auch die nachlassenden Konsolidierungsanstrengungen nieder. Die konjunkturelle Belebung im übernächsten Jahr dürfte dann – sofern per Saldo keine budgetbelastenden Maßnahmen nach der nächsten Bundestagswahl beschlossen werden – den gesamtstaatlichen Haushalt ausgleichen.

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Quelle: IfW Kiel