BRAK, Mitteilung vom 03.10.2023 zum Beschluss IV ZB 4/23 des BGH vom 06.09.2023
Wer die Einhaltung von Fristen an Mitarbeitende delegiert, muss sie genau anweisen. Hierzu konkretisiert der BGH die Anforderungen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Fall die Voraussetzungen an eine Kontrolle des beA-Versands durch Kanzleimitarbeitende konkret und übersichtlich dargestellt. Insbesondere müsse dabei – so wie im aktuellen Fall – sichergestellt sein, dass Fristen nicht gestrichen werden, obwohl noch keine Übermittlung erfolgt ist (Beschluss vom 06.09.2023, Az. IV ZB 4/23).
Im konkreten Fall hatte der Prozessbevollmächtigte die Frist für die Einreichung der Berufungsbegründung verpasst, seine Mandantin wollte nun Wiedereinsetzung beantragen. Eine Kanzleimitarbeiterin hatte den Schriftsatz zwar über eine Schnittstelle der hauseigenen Kanzleisoftware über das beA versandt. Tatsächlich unterblieb die Übermittlung aus technischen Gründen innerhalb der Schnittstelle, was die Angestellte jedoch nicht bemerkte und die Frist als „erledigt“ notierte. Der Fehler fiel erst auf, als das Gericht darauf hinwies, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die interne Kanzleiorganisation sah folgendermaßen aus: Die Kontrolle, ob das Befüllen des beA erfolgreich gewesen sei, obliege den gesondert geschulten Büromitarbeitern. Im konkreten Fall habe der Anwalt verfügt, dass die Büroangestellte kontrolliere, ob die Berufungsbegründung erfolgreich in das beA habe „geschoben“ werden können. Generell bestehe in der Kanzlei im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze auch die Anweisung, am Ende eines jeden Arbeitstages die Fristenliste mit den erfolgreichen „beA-Versandprotokollen“ abzugleichen und eine endgültige Erledigung nur zu notieren, wenn das „Versandprotokoll“ auf Existenz und Inhalt geprüft worden sei.
BGH: So haben Kanzleien ihre Mitarbeitenden anzuleiten
Diese Anweisungen genügten aber weder dem Kammergericht noch dem BGH. Die Ausgangskontrolle sei nicht ordnungsgemäß gewesen, so der BGH. Dieser führte in seinem Beschluss dezidiert aus, wie es im Idealfall ablaufen muss, damit ein Fristversäumnis als unverschuldet gilt. Rechtsanwältinnen und -anwälte müssten ihr Personal demnach folgendermaßen anweisen, die Eingangsbestätigung nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs im Hinblick auf Erhalt und Inhalt stets zu kontrollieren:
- Es müsse eine Anweisung geben, wonach Fristen erst nach Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung unter Berücksichtigung der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 (Zivilprozessordnung) ZPO gestrichen werden dürfen.
- Bei der Anweisung müssten Verwechselungen mit dem Übermittelungsprotokoll durch einen entsprechenden Hinweis ausgeschlossen sein. Im konkreten Fall war der Begriff „Versandprotokoll“ nicht eindeutig genug.
- Es brauche hinreichende Anweisungen dazu, wie die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen ist. Insoweit genüge es nicht, zu prüfen, ob die Eingangsbestätigung vorliegt. Mitarbeitenden sei vielmehr zu erklären, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Dabei gelte: Wenn darin im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ angezeigt wird, dürfe man nicht von einer erfolgreichen Übermittlung ausgehen. Dies müsse den Rechtsanwalt bzw. den Mitarbeitenden zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen. Hierzu müssten die Mitarbeitenden intensiv geschult werden – sowohl im Hinblick auf das beA selbst als auch über die Schnittstelle eines Büroverwaltungsprogramms. Das fehlte hier ebenfalls.
- Der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin müsse schließlich selbst stichprobenweise überprüfen, ob die entsprechenden organisatorischen Abläufe in der Kanzlei auch funktionieren. Das war hier aber nicht mehr entscheidungserheblich.
Quelle: BRAK
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