LG Lübeck, Pressemitteilung vom 26.10.2023 zum Urteil 3 O 336/22 vom 29.09.2023 (nrkr)
Gibt es Stau auf einer Kreuzung und schaltet eine Fußgängerampel auf Grün, müssen Fußgänger vor dem Losgehen sicherstellen, dass die Autos warten werden.
Eine Frau steht an einer Ampel und wartet darauf, die Straße überqueren zu können. Viele Autos sind unterwegs und auf der Straße kommt es zu einem Stau. Ein Lastwagen schafft es nicht mehr über die Kreuzung. Er wartet vor dem Fußgängerüberweg. Die Ampel für Fußgänger springt auf grün und gleichzeitig löst sich der Stau auf. Die Frau geht los, um die Straße zu überqueren, während der Lastwagen anfährt. Der Lastwagen überrollt die Fußgängerin und verletzt die Frau schwer. Sie überlebt.
Vor dem Landgericht Lübeck verlangt die Frau Entschädigung. Die Versicherung des Lastwagens wendet ein, die Frau habe nicht über die Straße gehen dürfen. Sie habe den Lastwagen als sog. Kreuzungsräumer durchfahren lassen müssen. Muss die Versicherung zahlen?
Das Gericht hat entschieden: Ja, die Versicherung muss zahlen. Zwar habe die Frau gehen dürfen, denn der Lastwagen habe auch als Kreuzungsräumer keine Vorfahrt gehabt. Die Frau hätte sich aber vergewissern müssen, dass der Lastwagen vor dem Fußgängerüberweg stehen bleibt, als sich der Stau auflöste. Trotz grüner Fußgängerampel hätte sie nicht sofort losgehen dürfen. In diesem Fall liege aber ein so schweres Verschulden des Lastwagenfahrers vor, dass dieser allein hafte.
Im Ergebnis muss die Versicherung 100 % des Schadens tragen.
Das Urteil vom 29.09.2023 (Az. 3 O 336/22) ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Landgericht Lübeck
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