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Bruttoinlandsprodukt von 1950 bis 2022 im Durchschnitt 3,1 % pro Jahr gewachsen

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 01.06.2023

Die Wirtschaft in Deutschland ist von 1950 bis 2022 im Durchschnitt um 3,1 % pro Jahr gewachsen. Das Wachstum hat sich über die letzten Jahrzehnte jedoch deutlich verlangsamt. Im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte von 2000 bis 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preisbereinigt nur um 1,0 % pro Jahr gewachsen. In den 1950er und 1960er Jahren war das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt dagegen noch deutlich dynamischer gewachsen – mit durchschnittlich 6,4 % pro Jahr im Zeitraum von 1950 bis 1970. Das teilt das Statistische Bundesamt zum Start einer Serie von Veröffentlichungen auf der Basis historischer Zeitreihen anlässlich seines 75-jährigen Jubiläums mit.

Sinkende Wachstumsraten, schwerere Rezessionsphasen

Dass die deutsche Wirtschaft im 21. Jahrhundert historisch gesehen wesentlich moderater gewachsen ist als in den 50 Jahren bis zur Jahrtausendwende, liegt – neben dem allgemeinen Phänomen nachlassenden Wachstums in entwickelten Volkswirtschaften – auch an den beiden deutlichen Wirtschaftseinbrüchen im Zuge der weltweiten Finanzmarktkrise 2009 und der Corona-Krise 2020. Mit einem massiven Rückgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 5,7 % im Jahr 2009 sowie dem coronabedingten Minus von 3,7 % im Jahr 2020 erlebte die deutsche Wirtschaft ihre bisher schwersten Rezessionen der Nachkriegszeit.

Zuletzt konnte sich die Wirtschaft wieder erholen: Im Jahr 2021 nahm das preisbereinigte BIP trotz der noch nicht überwundenen Corona-Pandemie um 2,6 % zu und im Jahr 2022 trotz des Kriegs in der Ukraine sowie der Energiekrise um weitere 1,8 %. Damit wurde zugleich das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 wieder erreicht und übertroffen (um 0,6 %).

Drei der sieben Rezessionsphasen nach der Jahrtausendwende

In den fast 75 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik 1949 hat es insgesamt sieben Rezessionsphasen gegeben. Diese lassen sich vereinfachend an negativen jährlichen Veränderungsraten des preisbereinigten BIP festmachen. Auch die dritte der insgesamt sieben Rezessionsphasen fiel in die letzten 20 Jahre: Nach dem Platzen der sogenannten Internetblase und durch die Auswirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 sank die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2002 um 0,2 % und 2003 um 0,7 % gegenüber dem Vorjahr.

Vom „Wirtschaftswunder“ zur Industrienation: Die bislang längste Wachstumsphase

Fielen die stärksten Wirtschaftseinbrüche in die jüngsten beiden Jahrzehnte, so waren die höchsten Anstiege in den 20 Jahren nach Kriegsende zu verzeichnen: Nach der bislang längsten Phase ungebrochener Hochkonjunktur seit 1950 mit Wachstumsraten von bis zu 12,1 % im Jahr 1955 endete das deutsche “Wirtschaftswunder” 1967 mit der ersten Rezession in der Bundesrepublik Deutschland. Grund für die Rezession 1967 war eine nachlassende Inlandsnachfrage infolge geldpolitischer Entscheidungen. Bis dahin war der ungebremste Aufschwung nach Kriegsende geprägt vom Wiederaufbau, dem damit verbundenen Nachholbedarf sowie einem besonders starken Anstieg der Produktivität und Nachfrage sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Die anfängliche Arbeitslosigkeit wich schnell einer Vollbeschäftigung und zunehmender Arbeitskräfteknappheit, der mit dem massiven Anwerben von Arbeitskräften aus dem Ausland begegnet wurde. Diese Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt änderte sich erst mit dem späteren Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer ins Erwerbsalter.

Von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft: Verschiebungen in der Wirtschaftsstruktur

Die deutsche Wirtschaft hat in den vergangenen 75 Jahren eine Transformation durchlaufen, die sich in einer deutlichen Verschiebung zwischen den drei Sektoren Land- und Forstwirtschaft, Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen widerspiegelt. Auf das Produzierende Gewerbe entfiel bis zum Ende der 1960er Jahre noch mehr als die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung. Dieser Anteil ging bis zur Jahrtausendwende auf etwa 30 % zurück und verharrt seitdem auf diesem Niveau. Gleichzeitig haben die Dienstleistungsbereiche mit dem steigenden Wohlstand und mit veränderten Konsumgewohnheiten stark an Bedeutung gewonnen. Heute prägt dieser Sektor die deutsche Volkswirtschaft. Mit knapp 70 % übertrifft der Anteil der Dienstleistungsbereiche den der anderen Sektoren deutlich. Die Land- und Forstwirtschaft hat gemessen an der nominalen Bruttowertschöpfung stark an Bedeutung verloren. Wurden zu Beginn der 1950er Jahre noch rund 10 % der Wertschöpfung in diesem Bereich erwirtschaftet, verringerte sich dieser Anteil auf nur noch gut 1 % im Jahr 2022.

Wirtschaftskrisen waren meist mit weltweiten Ölpreisschocks verbunden

Die weiteren Wachstumsphasen bis zur deutschen Vereinigung wurden nur durch die Rezessionen 1975 und 1982 unterbrochen, die durch die beiden Ölkrisen ausgelöst wurden. Nach dem Fall der Mauer erlebte die vereinigte Bundesrepublik ihre erste gesamtdeutsche Rezession im Jahr 1993. Die Weltwirtschaft war infolge des zweiten Golfkrieges in einen globalen Wirtschaftsabschwung geraten, der in Deutschland durch die Sondersituation der Vereinigung erst verzögert ankam.

Höchste Inflation seit fast 50 Jahren infolge von Corona, Krieg und Energiekrise

Historisch betrachtet hingen die Rezessionsphasen oft mit einer relativ hohen Inflation zusammen. Dabei gingen hohe Preissteigerungen für Verbraucherinnen und Verbraucher einer Rezession in der Regel zeitlich voraus. Die Teuerung lässt die Kaufkraft sinken und kann so zu Konsumzurückhaltung und einer sich abkühlenden Konjunktur führen, woraus letztlich eine Rezession resultieren kann. Im vergangenen Jahr lag die Inflationsrate – gemessen als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahr – bei 6,9 % und damit so hoch wie seit fast 50 Jahren nicht.

Ölpreiskrisen als Treiber historisch hoher Inflation

So hoch wie im vergangenen Jahr war die Inflation zuletzt im Jahr 1973 mit 7,1 % und 1974 mit 6,9 %. 1973 hatte der Jom-Kippur-Krieg zur ersten Ölkrise geführt. Die in der OPEC organisierten erdölexportierenden Staaten hatten damals ihre Fördermengen gedrosselt, um Druck auf westliche Staaten auszuüben. Im März 1974 war importiertes Erdöl schließlich mehr als drei Mal so teuer wie ein Jahr zuvor (+221,1 % gegenüber März 1973). Infolge der Ölpreiskrise geriet Deutschland 1975 in die Rezession. Auch der Rezession 1982 gingen starke Preissteigerungen im Jahr zuvor voraus: Die Teuerung in Höhe von 6,3 % im Jahr 1981 war getrieben von der zweiten Ölkrise 1979/1980 – ausgelöst durch die Förderausfälle im Zusammenhang mit der Islamischen Revolution im Iran seit Januar 1979 und dem im September 1980 begonnenen Ersten Golfkrieg. Nach der deutschen Vereinigung folgte auf die hohe Inflation von 5,0 % im Jahr 1992 ebenfalls ein Jahr später eine Rezession.

Teuerungsrate in Deutschland zwischen 1950 und 2022 im Schnitt bei rund 2,4 % pro Jahr

Im Durchschnitt der Jahre von 1950 bis 2022 betrug die Teuerungsrate in Deutschland rund 2,4 % pro Jahr. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt aktuell Inflationsraten von mittelfristig 2,0 % für die Eurozone an, um Preisstabilität zu gewährleisten.

Seit 1950 war das allgemeine Preisniveau nur in drei Jahren niedriger als im jeweiligen Vorjahr: 1950 waren Waren und Dienstleistungen für Verbraucherinnen und Verbraucher 6,4 % günstiger als im Vorjahr – damals noch gemessen als Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Haushalts mit mittlerem Einkommen. 1953 sank das Preisniveau um 1,7 % und 1986 im Zuge des Ölpreisverfalls leicht um 0,1 % zum Vorjahr.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=102378

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