EuGH, Pressemitteilung vom 16.11.2023 zum Urteil des EuG in den verbundenen Rs. C-583/21 bis C-586/21 vom 16.11.2023
Vier Arbeitnehmer eines Notariats in Madrid (Spanien) haben bei einem dortigen Gericht beantragt, die Rechtswidrigkeit der Kündigungen festzustellen, die der neue Inhaber der betreffenden Notarstelle ihnen gegenüber ausgesprochen hat. Nach Ansicht dieses Gerichts waren die Arbeitnehmer ununterbrochen bei den nacheinander in dem Notariat tätigen Notaren beschäftigt. Der neue Notar begründete die Kündigungen damit, dass die Arbeitnehmer ihre Probezeit nicht bestanden hätten.
Ferner haben die Arbeitnehmer bei dem Gericht beantragt, dass die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit für alle Zwecke ab dem Tag berechnet wird, an dem sie ihre Tätigkeit in dem Notariat aufgenommen haben. Der Notar ist dagegen der Ansicht, dass Stichtag für den Beginn der Betriebszugehörigkeit der Tag sei, an dem die Arbeitsverträge mit ihm geschlossen worden seien.
Das Gericht in Madrid möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen1 in Anbetracht der Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit spanischer Notare auf diese Situation anwendbar ist.
Der Gerichtshof ist, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, der Auffassung, dass die spanischen Notare, obwohl sie Beamte sind, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie ausüben. Sie bieten nämlich ihre Dienstleistungen Mandanten auf dem Markt gegen Entgelt unter Wettbewerbsbedingungen an. Sie können daher nicht als Verwaltungsbehörden angesehen werden.
Zur Frage, ob ein Übergang vorliegt, stellt der Gerichtshof fest, dass der Wechsel des Notars einem Inhaberwechsel gleichzusetzen ist; in einer solchen Situation schützt die Richtlinie die Arbeitnehmer dadurch, dass deren Ansprüche gewahrt werden, und zwar trotz der Tatsache, dass spanische Notare vom Staat zum Inhaber der betreffenden Notarstelle ernannt werden.
Im Übrigen führt der Wechsel des Inhabers nicht zwangsläufig zu einer Änderung der Identität eines Notariats. Gerade die Bewahrung dieser Identität ist nämlich entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es in einem Notariat vor allem auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, sodass es seine Identität über den Übergang hinaus bewahren kann, wenn ein wesentlicher Teil der Belegschaft von dem neuen Notar übernommen wird, was es diesem ermöglicht, die Tätigkeiten des Notariats fortzuführen. Nach Auffassung des Gerichtshofs scheint dies hier der Fall zu sein, da der neue Notar dieselbe Tätigkeit wie sein Vorgänger ausübt und einen wesentlichen Teil der von seinem Vorgänger beschäftigten Belegschaft übernommen hat. Er hat ferner die Ausstattung und die Räumlichkeiten des Notariats übernommen und ist zum Verwahrer der dort aufbewahrten Dokumente geworden. Es ist Sache des Gerichts in Madrid festzustellen, ob dies tatsächlich der Fall ist.
Fußnote
1 Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen.
Quelle: EuGH
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