Die Talsohle der europäischen Finanzkrise scheint durchschritten

Ergebnisse des GfK Konsumklima Europa und USA für das vierte Quartal 2012

GfK, Pressemitteilung vom 08.02.2013

Europa steckt in der Rezession. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Talsohle der Krise im Herbst vergangenen Jahres durchschritten wurde. Auch die Verbraucher scheinen das Gefühl zu haben, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung Ende 2013, in manchen Ländern vielleicht auch etwas früher, wieder realistisch erscheint. Dementsprechend steigen die Konjunktur- sowie die Einkommenserwartung in den meisten Staaten wieder leicht an. Allerdings auf extrem niedrigem Niveau. Da viele Verbraucher unter sinkenden Einkommen, steigenden Steuern und zumeist hoher Arbeitslosigkeit leiden, ist die Anschaffungsneigung dagegen in den meisten Ländern zum Jahresende hin abgesunken. Das sind Ergebnisse des GfK Konsumklima Europa und USA, das einen Überblick über die Entwicklung von Konjunktur- und Einkommenserwartung sowie der Anschaffungsneigung der Konsumenten in zwölf europäischen Staaten sowie den USA gibt.

Das Jahr 2012 war kein gutes für Europa. Die Euro-Zone ist nach drei Jahren wieder in die Rezession gerutscht. Dabei hat sich innerhalb Europas eine große Kluft entwickelt: Während der Süden und Osten Europas mit zum Teil extrem hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Armut zu kämpfen hat, stehen die Menschen in den nördlichen Staaten trotz der Krise gut da. Diese tiefe Spaltung zeigen auch die jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt. In Österreich, Luxemburg, Deutschland und den Niederlanden liegen die Arbeitslosenquoten – gemessen nach dem internationalen ILO-Standard – bei vergleichsweise niedrigen 4,5 bis 5,6 Prozent. In Spanien und Griechenland hat dagegen jeder Vierte keinen Job. Insgesamt stehen in den 17 Ländern der Euro-Zone 18,8 Millionen Menschen auf der Straße. Die Arbeitslosenquote stieg im November zum vierten Mal in Folge und lag bei 11,8 Prozent.

Die Folgen sind alarmierend: Durch den Jobverlust fallen die verfügbaren Einkommen in den Randstaaten rapide. So verfügen die Griechen im Vergleich zu 2009 heute über fast ein Fünftel weniger Geld. In Spanien sind es 8 und auf Zypern 7 Prozent weniger. Experten rechnen damit, dass sich die Krise auf dem Arbeitsmarkt in diesem Jahr noch einmal weiter verschärfen wird und im zweiten Halbjahr rund 20 Millionen Menschen betrifft. Allerdings soll damit der Höchststand erreicht sein. Dass sich die Talfahrt tatsächlich verlangsamen könnte, deuten bereits die Daten vom November an. Denn die Zahl der Arbeitslosen in der Euro-Zone wuchs langsamer als in den beiden Monaten zuvor. Für 2014 erwarten Experten einen leichten Rückgang auf 19,6 Millionen Arbeitslose in der Euro-Zone.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Wirtschaft in der Währungsgemeinschaft wieder in Fahrt kommt. Dafür gibt es auch erste positive Anzeichen. So hat sich die Wirtschaftsstimmung zum zweiten Mal in Folge aufgehellt, wie der Economic Sentiment Index (ESI) zeigt. Das Barometer stieg von November auf Dezember unerwartet stark um 1,3 Punkte auf 87 Zähler – der höchste Stand seit fast einem halben Jahr. Auch die Reformen in den Krisennationen tragen nach Ansicht von Volkswirten erste Früchte. Zwar sank in den Krisenländern die Wirtschaftskraft in den vergangenen fünf Jahren deutlich. In Griechenland beispielsweise schrumpfte das BIP seit 2008 um 21 Prozent, die Investitionen haben sich halbiert, die Importe gingen um ein Drittel zurück. Es ist die schwerste Depression eines westlichen Landes seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch durch die harten Anpassungen gewinnen die Staaten an Wettbewerbsfähigkeit, die Lohnkosten sinken, die Exportaussichten verbessern sich weiter. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte gehen zurück. Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit sind vor allem in Griechenland und in Irland zu verzeichnen, wo die Lohnstückkosten seit 2009 deutlich gesunken sind.

Bei den nationalen Leistungsbilanzen hat sich in den vergangenen vier Jahren der Abstand zwischen Deutschland mit dem höchsten Überschuss und Griechenland mit dem größten Defizit beinahe halbiert. Doch diese ersten vorsichtigen Anzeichen, dass die Krise in den nächsten Jahren überwunden werden kann, stehen alle unter einer Voraussetzung. Die Krise darf nicht noch einmal eskalieren. Die Krisenstaaten dürfen sich jedoch auf diesen ersten Erfolgen nicht ausruhen, sondern müssen die Reformen weiterführen. Und die nationalen Haushalte müssen weiter konsolidiert werden – in allen Ländern der EU. (…)

Konjunkturerwartung: vorsichtige Hoffnung auf Besserung
Die Talsohle der Finanzkrise scheint durchschritten zu sein. Dieser Expertenmeinung scheinen sich auch die meisten europäischen Verbraucher anzuschließen. Zwar gibt es noch viele Unwägbarkeiten und Risiken, doch ganz vorsichtig macht sich die Hoffnung in Europa breit, dass es bald wieder aufwärts gehen wird. In den meisten der betrachteten Länder ist die Konjunkturerwartung im vierten Quartal 2012 insgesamt stabil geblieben oder leicht angestiegen – allerdings auf zumeist sehr niedrigem Niveau. Am vergleichsweise positivsten beurteilen die Rumänen ihre Wirtschaftsaussichten (-8,7 Punkte), gefolgt von Deutschland (-17,6 Punkte) und Bulgarien (-20,8 Punkte). Die wenigsten Chancen auf eine wirtschaftliche Erholung in den nächsten Monaten sehen die Spanier (-52,6 Punkte). Ebenfalls sehr negativ beurteilen die portugiesischen (-50,7 Punkte) sowie die griechischen Verbraucher (-50,0 Punkte) die Konjunkturaussichten. Allerdings haben sich die Werte in beiden Ländern im vierten Quartal leicht verbessert. (…)

Auch wenn Deutschland nach wie vor als Klassenprimus in Europa gesehen wird, ist die Finanzkrise inzwischen auch hier angekommen. Nach Einschätzungen der deutschen Bundesbank wird die deutsche Wirtschaft im Jahr 2013 nur noch minimal zulegen – um 0,4 Prozent. Im Sommer prognostizierte sie noch 1,6 Prozent. Für 2012 rechnet die Bank insgesamt mit einem Wachstum von 0,7 Prozent. Um ihre hochqualifizierten Mitarbeiter nicht entlassen zu müssen, wird von den Unternehmen voraussichtlich das bereits bewährte Instrument der Kurzarbeit wieder eingesetzt werden. Auch den deutschen Verbrauchern ist die eingetrübte Wirtschaftslage klar. Ihre Konjunkturerwartungen liegen demnach bereits seit Monaten im negativen Bereich, aktuell bei -17,9 Punkten.

Einkommenserwartung: Verbraucher rechnen mit weiteren Sparmaßnahmen
Im Zuge der etwas besseren Konjunkturerwartung hat sich auch die Einkommenserwartung der europäischen Bevölkerung im letzten Quartal des vergangenen Jahres verbessert. Steigende oder relativ stabile Einkommen sehen demnach die Deutschen (21,2 Punkte), die Österreicher (-3,2 Punkte) sowie die Rumänen (-7,7 Punkte). Weitere deutliche Einbußen erwarten hingegen die Griechen (-50,1 Punkte), Spanier (-52,7 Punkte) und die Italiener (-55,2 Punkte). (…)

Anschaffungsneigung: hohe Arbeitslosigkeit lässt Konsumneigung im Keller verharren
Auch wenn die Konjunktur- und Einkommenserwartungen der europäischen Verbraucher in den vergangenen Monaten leicht gestiegen sind, sind sie noch nicht bereit, Geld in größere Anschaffungen zu investieren. Das ist auch nicht verwunderlich. In den Krisenstaaten ist die Arbeitslosigkeit überaus hoch und zum Teil noch steigend und die Menschen haben häufig kaum genug Geld, um die alltäglichen Ausgaben bestreiten zu können. Und da viele weitere europäische Staaten mit einer Rezession kämpfen, ist auch dort die Lust auf Shopping sehr begrenzt. Am meisten geben derzeit nach wie vor die Deutschen aus, weil sich hier die Arbeitsmarktlage noch sehr stabil darstellt. Die Anschaffungsneigung liegt hier im Dezember bei 20,1 Punkten. Ebenfalls im positiven Bereich bewegt sich der Indikator in Österreich (16,7 Punkte) und in Bulgarien (5,7 Punkte). Lediglich das Notwendigste können sich die Verbraucher in Italien (-38,0 Punkte), Portugal (-46,9 Punkte) und Großbritannien (-47,2 Punkte) leisten.

Für viele griechische Unternehmen könnte das Weihnachtsfest 2012 das letzte gewesen sein. Aufgrund der miserablen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage sowie den harten Sparmaßnahmen haben die Griechen schlicht kein Geld mehr, um einzukaufen. Wie sehr die Griechen den Gürtel enger schnallen müssen, zeigt eine großangelegte Vergleichsstudie der Unternehmensberatung Deloitte. Demnach gaben die Hellenen 2012 noch einmal 16 Prozent weniger für das Weihnachtsfest aus als im Jahr zuvor. Im Durchschnitt hatte jeder Haushalt ein Budget von 407 Euro zur Verfügung. Davon wurden jedoch nicht nur Geschenke gekauft, sondern auch die Ausgaben für Reisen sowie das Festessen bestritten. Seit 2007 ist der private Konsum in Griechenland um 18 Prozent eingebrochen. Diese Kaufzurückhaltung spürt der Einzelhandel natürlich besonders. In den vergangenen zweieinhalb Jahren mussten bereits 68.000 Läden schließen. Das ist ein Drittel aller griechischen Einzelhändler. Seit Juli 2012 hatten die griechischen Verbraucher ganz allmählich wieder etwas Hoffnung geschöpft, dass sie die Krise mittelfristig überwinden könnten und sich die wirtschaftliche Lage wieder bessert. Diese vorsichtige Zuversicht war auch am Indikator der Anschaffungsneigung abzulesen. Hatte er im Juli mit -56,9 Punkten seinen tiefsten, jemals gemessenen Wert erreicht, arbeitete er sich bis November auf -25,4 Punkte nach oben. Doch die Aussichten auf ein sehr karges Weihnachtsfest sowie ein weiteres sehr schwieriges Jahr verpassten dem Indikator einen erneuten Dämpfer. Im Dezember stand er bei -37,4 Punkte.

Weitere Details zu den einzelnen Ländern finden Sie auf der Homepage der GfK.

Quelle: GfK