Die EU-Kommission hat am 14.11.2012 einen Richtlinienvorschlag zur Frauenquote vorgelegt. Eine sanktionsbewährte Quote von 40 % wird für den Aufsichtsrat von börsennotierten Unternehmen (bis 2020) sowie für börsennotierte öffentliche Unternehmen (bis 2018) vorgeschlagen. Für Vorstände wird keine Vorgabe gemacht, aber Selbstverpflichtungen der Unternehmen gefordert.
Hintergrund
Die EU-Justiz-Kommissarin Viviane Reding hatte die großen börsennotierten EU-Unternehmen im März 2011 aufgerufen, den Frauenteil in den Vorstandsetagen/Aufsichtsräten über eine Selbstverpflichtung zu steigern. Im März 2012 fand eine Überprüfung der Situation statt. Nur 24 EU-Unternehmen sind ihrer Aufforderung gefolgt und hatten die Selbstverpflichtung unterschrieben. Anschließend leitete sie eine vom 05.03.2012 bis zum 28.05.2012 andauernde Konsultation zum unausgewogenen Geschlechterverhältnis in den höchsten Entscheidungsgremien von EU-Unternehmen ein. Die Mehrheit der Befragten sprach sich für einen höheren Frauenanteil in den Leitungsorganen der Unternehmen aus.
Zum Inhalt
Der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie beschränkt sich auf börsennotierte EU-Unternehmen. Kleinstunternehmen und KMU sind von der Gesetzesinitiative ausgenommen, selbst wenn sie börsennotierte Unternehmen sind (Art. 3 des Richtlinienvorschlages). Bei Unternehmen mit einem Frauenanteil von weniger als 10% in der Belegschaft können die Mitgliedstaaten Ausnahmen vorsehen. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten, die Zielvorgabe als erreicht ansehen können, wenn mindestens ein Drittel aller Leitungspositionen (Aufsichtsratsmitglieder und Vorstandsmitglieder) mit Frauen besetzt sind.
Der Richtlinienvorschlag enthält Mindestvorschriften, um ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern zu erreichen. Bis spätestens 01.01.2020 muss das unterrepräsentierte Geschlecht, i. d. R. also Frauen, zu mindestens 40 % im Aufsichtsrat vertreten sein. Hierzu sieht der Vorschlag (Art. 4 Abs. 3) eine Vorzugsregel vor: Danach ist bei gleicher Qualifikation hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung dem weiblichen Kandidaten der Vorrang zu geben. Von einem stärker paritätisch besetzten Leitungsgremium erhofft sich die EU-Kommission einen positiven Einfluss auf die Geschlechterdiversität bei der Besetzung von Posten der höchsten Führungsebene sowie der Gestaltung der gesamten Personalpolitik eines Unternehmens.
Für Vorstandsmitglieder wird keine fest verbindliche Vorgabe gemacht, da ihre Position branchenspezifische Kenntnisse und Erfahrung in der Organisation des Tagesgeschäfts voraussetzt. Um jedoch auch auf dieser Ebene ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu erreichen, wird vorgeschlagen, dass die Unternehmen Eigenverpflichtungen eingehen. Sie müssen bis spätestens bis 01.01.2020 umgesetzt sein (Art. 5). Fortschritte sind jährlich zu berichten.
Da die EU-Mitgliedstaaten einen größeren Einfluss auf börsennotierte öffentliche Unternehmen haben, sollen sie die Zielvorgabe von mindestens 40 % bei den Aufsichtsratsmitgliedern und die Eigenverpflichtung bei den Vorstandsmitgliedern bereits in 2018 erfüllen.
Ausblick
Der Richtlinienvorschlag wird nun gemeinsam von EU-Parlament und Rat beraten. Das EU-Parlament hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach für die Einführung einer gesetzlichen Quote stark gemacht (u. a. am 06.07.2011 und 13.03.2012). Die Situation im Ministerrat ist weniger einheitlich. Neben klaren Gegnern des Entwurfs gibt es auch insgesamt 11 Mitgliedstaaten, die eine Quote bereits in ihrem nationalen Recht verankert haben.
Nach Verabschiedung des Rechtsaktes haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Geltungsdauer der Richtlinie ist bis 31.12.2028 befristet. Es wird davon ausgegangen, dass die Zielvorgaben dann erreicht sind und der Rechtsakt seinen Zweck erfüllt hat.
BDA-/BDI-Bewertung:
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Wirtschaft (BDI) haben den Vorschlag kritisiert. Sie sehen u. a. in der Einführung einer Quote eine Verletzung der Rechte der Anteilseigner. Außerdem werden die eigentlichen Ursachen, die Frauen daran hindern, Führungspositionen zu ergreifen, mit einer Quote nicht behoben. BDA/BDI sprechen sich für einen höheren Frauenanteil in Führungspositionen über Selbstverpflichtungen aus.
Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel