EuGH, Pressemitteilung vom 22.11.2012 zum Urteil C-139/11 vom 22.11.2012
Die Frist für die Erhebung von Klagen auf Ausgleichsleistung wegen Annullierung von Flügen bestimmt sich nach den nationalen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten.
Das Unionsrecht gewährt den Fluggästen einen Ausgleichsanspruch, der je nach der Entfernung und dem Zielort ihres annullierten Flugs variiert, sofern nicht die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn vom Luftfrachtführer alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Fluggäste können diesen Anspruch vor den nationalen Gerichten geltend machen. Die europäische Regelung enthält jedoch keine Bestimmung über die Frist, innerhalb deren Klagen auf Ausgleichsleistung erhoben werden können.
Herr Cuadrench Moré erwarb bei der Fluggesellschaft KLM ein Ticket für einen am 20. Dezember 2005 vorgesehenen Flug von Shanghai nach Barcelona. Da dieser Flug annulliert wurde, war Herr Cuadrench Moré gezwungen, am darauffolgenden Tag mit einer anderen Fluggesellschaft via München zu fliegen.
Am 27. Februar 2009 – das heißt mehr als drei Jahre später – erhob Herr Cuadrench Moré bei einem spanischen Gericht Klage gegen KLM, mit der er eine Ausgleichsleistung von 2.990 Euro nebst Zinsen und Kosten als Ersatz des Schadens begehrte, den er aufgrund der Annullierung seines Flugs erlitten hatte.
KLM machte geltend, dass die Klage verjährt sei, da die in den Übereinkünften von Warschau und Montreal vorgesehene zweijährige Frist für die Erhebung von Schadensersatzklagen gegen Luftfrachtführer verstrichen sei.
Vor diesem Hintergrund stellt die mit der Rechtssache befasste Audencia Provincial de Barcelona (Spanien) dem Gerichtshof die Frage, ob sich die Frist für die Erhebung von Klagen auf Zahlung der im Unionsrecht vorgesehenen Ausgleichsleistungen nach dem Übereinkommen von Montreal oder nach anderen Bestimmungen, insbesondere nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung, bestimmt.
In seinem Urteil vom 22.11.2012 gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass sich die Frist für die Erhebung von Klagen auf Zahlung der im Unionsrecht für die Annullierung von Flügen vorgesehenen Ausgleichsleistung nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung bestimmt.
In dieser Hinsicht weist der Gerichtshof darauf hin, dass es in Ermangelung einer entsprechenden unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats ist, die Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Jedoch müssen diese Verfahrensmodalitäten den Grundsatz der Effektivität und den Grundsatz der Äquivalenz im Vergleich zu den im innerstaatlichen Recht für ähnliche Situationen vorgesehenen Modalitäten wahren.
Der Gerichtshof fügt dem hinzu, dass diese Feststellung nicht mit den Bestimmungen der Übereinkünfte von Warschau und Montreal in Zweifel gezogen werden kann, da die in der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichsmaßnahme nicht in den Anwendungsbereich dieser Übereinkünfte fällt, auch wenn sie die von diesen vorgesehene Schadensersatzregelung ergänzt. Das Unionsrecht führt nämlich ein eigenständiges System der standardisierten und sofortigen Wiedergutmachung von Schäden ein, die aus den auf Verspätungen und auf Annullierungen von Flügen beruhenden Unannehmlichkeiten entstehen. Dieses System tritt neben die Übereinkünfte von Warschau und Montreal.
Quelle: EuGH