Europa: Ohne starke Industrie nichts los!

DIHK, Pressemitteilung vom 16.11.2012

Die EU-Kommission zieht eine wichtige Lehre aus der Schuldenkrise: Die Industrie muss als Wachstumstreiber gestärkt und gefördert werden! Dabei verfolgt die Kommission vielfältige Ziele: Europäische Unternehmen sollen einen besseren Zugang zu den Märkten bekommen; gleichzeitig sollen Investitionen in die Forschung erhöht und die Berufsqualifikationen verbessert werden. Und am Ende steht der Wunsch, den Anteil der Industrie am EU-BIP bis 2020 von derzeit rund 16 auf 20 Prozent zu steigern.

Die Bedeutung der Industrie ist innerhalb der EU sehr unterschiedlich: In Spanien und Großbritannien liegt ihr Anteil bei 15 Prozent, in Italien und den Niederlanden bei 19 Prozent, in Deutschland und Polen sogar bei fast einem Viertel der Wirtschaftsleistung. Deutschland profitiert davon, dass nach wie vor die gesamte Wertschöpfungskette industrieller Fertigung im eigenen Land ansässig ist. Italien hat eine vielfältige Industriestruktur von Fahrzeugen und Mode "made in Italy" bis hin zur Ernährungswirtschaft.

Auch Frankreich verfügt über eine breite und starke industrielle Basis. Allerdings hat die Industrie in Europa vielerorts einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Hohe Lohnstückkosten schlagen ebenso zu Buche wie fehlende Flexibilität am Arbeitsmarkt, überbordende Regulierungen und ein zunehmender Mangel an Fachkräften. Das 20-Prozent-Ziel der EU-Kommission ist ein wichtiges Bekenntnis zum Industriestandort Europa. Die Zielmarke darf aber auf keinen Fall zu einer interventionistischen Politik zugunsten vermeintlicher Schlüsselindustrien führen – und das womöglich noch zulasten anderer Branchen. Ein "Mehr" für die Industrie darf nicht zu einem "Weniger" bei Dienstleistungen und Handel führen.

Europa kann nur so wettbewerbsfähig sein, wie es seine Unternehmen sind. Kontraproduktiv sind weitere Vorgaben, Auflagen oder Verbote – also ein Europa der genormten Duschköpfe und Berichtspflichten. Wichtiger sind stabile Finanzmärkte, qualifizierte Fachkräfte, bezahlbare Energie, ein gesicherter Zugang zu Rohstoffen sowie effiziente Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus sind eine leistungsfähige Infrastruktur und ein funktionierender Binnenmarkt unentbehrlich.

Mit der "Europa 2020"-Wachstumsstrategie hat sich die EU auf die Fahnen geschrieben, Europa im kommenden Jahrzehnt zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft zu entwickeln. Gleichzeitig aber erschwert sie zum Beispiel im Energie- und Umweltbereich mit Eingriffen wie der geplanten Verknappung der CO2-Zertifikate unnötig die Wettbewerbsbedingungen. Das passt nicht zusammen! Die Umwelt- und Klimaschutzziele der EU müssen sich auch an den Folgen für die Zukunft der Industrie messen lassen. Dabei sollte konsequent überprüft werden, was EU-Maßnahmen konkret für die einzelnen Unternehmen bedeuten. Der Wettbewerbsfähigkeitstest darf kein Papiertiger sein!

Quelle: DIHK