VG Braunschweig, Pressemitteilung vom 09.01.2013 zum Urteil 1 A 33/12 vom 29.11.2012
Wer nach einer Kommunalwahl in einem Wahlprüfungsverfahren erfolgreich Einspruch gegen eine Entscheidung des Wahlleiters eingelegt hat, kann von der Kommune verlangen, dass sie ihm die dafür notwendigen Anwaltskosten erstattet. Dies hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden. Es handelt sich um die erste Entscheidung zu diesem Themenkreis in Niedersachsen.
Bei der Kommunalwahl des Jahres 2006 hatte die Partei des Klägers einen Sitz im Rat der Stadt Vienenburg gewonnen. Als der Gewählte zwei Jahre später sein Mandat niederlegte, vertrat der Wahlleiter der Stadt die Auffassung, der frei gewordene Sitz müsse unbesetzt bleiben. Der Kläger könne nicht nachrücken, weil er auf der Liste für den anderen Wahlbereich im Stadtgebiet kandidiert hatte. Hiergegen ließ der Kläger von einem Anwalt Einspruch erheben, den der Rat der Stadt zurückwies. Der Kläger hatte mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht und auch im Berufungsverfahren vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Erfolg und durfte im Ergebnis in den Rat der Stadt nachrücken. Danach beantragte er bei der Stadt, ihm seine mit dem Einspruch entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 1.700 Euro zu erstatten. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, es gebe dafür keine Rechtsgrundlage. Mit der dagegen beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger jetzt überwiegend Erfolg gehabt.
Das Gericht urteilte, die Gemeinde habe dem Kläger die notwendigen Anwaltskosten von ca. 1.100 Euro zu ersetzen. Das Kommunalwahlgesetz regele ausdrücklich, dass die Gemeinde "die ihr entstehenden Kosten" für die Gemeindewahl trage und dass zu diesen Wahlkosten auch die Kosten des Wahlprüfungsverfahrens gehörten. Diese Regelungen räumen nach der Entscheidung der Kammer denjenigen, die mit ihrem Antrag auf Wahlprüfung erfolgreich waren, einen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Anwaltskosten ein. Durch das Wahlprüfungsrecht sorge das Gesetz für eine effektive Kontrolle der Wahl. Es wirke bereits im Vorfeld auf die korrekte Durchführung der Wahl hin und sorge für die korrekte Umsetzung der Wählerentscheidung. Die Wirksamkeit dieses Kontrollsystems wäre beeinträchtigt, wenn Wahlberechtigte und sonstige Einspruchsberechtigte stets mit den außergerichtlichen Kosten der Wahlanfechtung belastet blieben. Dem demokratischen Charakter des Wahlrechts und damit dem Allgemeininteresse würde es widersprechen, wenn die notwendigen Anwaltskosten des Wahlprüfungsverfahrens nicht erstattet und damit als Privatangelegenheit abgetan würden. Denn schließlich habe der mit seinem Einspruch erfolgreiche Bürger diese Kosten aufwenden müssen, um die demokratische Wahlentscheidung im Zuge des Wahlprüfungsverfahrens zur Geltung zu bringen.
Soweit der Kläger auch die Erstattung eines Betrages von etwa 500 Euro verlangt hat, die ihm sein Anwalt für seine Tätigkeit im Vorfeld des Einspruchsverfahrens berechnet hatte, hat das Gericht die Klage abgewiesen. Begründung: Der Erstattungsanspruch erfasse nur die Kosten für das förmliche Wahlprüfungsverfahren, nicht die Aufwendungen, die für anwaltliche Tätigkeiten vor der Einleitung des Verfahrens entstanden seien.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung die Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen.
Quelle: VG Braunschweig