Aktuelles

Inflationsrate sinkt, doch soziale Spreizung weiter groß

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 20.04.2023

Die Inflationsrate in Deutschland ist im März zwar spürbar gesunken, mit 7,4 Prozent war sie aber weiterhin sehr hoch, und die sozialen Unterschiede bei der Teuerung nach wie vor groß. Alleinlebende mit niedrigen Einkommen hatten im März mit 8,7 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen, Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 6,3 Prozent die mit Abstand niedrigste. Die soziale Spreizung bei der haushaltsspezifischen Inflation ist somit gegenüber Februar nur geringfügig zurückgegangen – von 2,5 auf 2,4 Prozentpunkte. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Das IMK berechnet darin seit Anfang 2022 jeden Monat die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen. In der aktuellen Auswertung werfen IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien erstmals den Blick etwas weiter zurück und analysieren auch die haushaltsspezifische Teuerung zwischen Anfang 2019 und Ende 2021. Dabei zeigt sich, dass die Raten für die einzelnen Haushaltstypen zuletzt im Januar 2021 nahe beieinander lagen. Seitdem hat sich die Schere geöffnet, weil die größten Treiber des starken Inflationsschubs, Energie und Nahrungsmittel, als Güter des Grundbedarfs in den Warenkörben von einkommensschwächeren Haushalten ein besonders hohes Gewicht haben. Am größten war die Differenz im Oktober 2022 mit 3,1 Prozentpunkten.

Eine ebenfalls überdurchschnittlich hohe Teuerungsrate mussten im März Familien mit niedrigen Einkommen schultern (7,8 Prozent). Sie hatten zuvor seit Februar 2022 durchgehend die höchste Inflationsbelastung unter allen Haushaltstypen aufgewiesen, zuletzt gleichauf mit ärmeren Singles. Dass die ärmeren Familien im März nicht mehr ganz so stark hervorstachen, liegt an zuletzt rückläufigen Kraftstoffpreisen. Diese schlagen sich rechnerisch im Ausgabenportfolio von Familien spürbar nieder, während arme Alleinstehende selten ein Auto besitzen.

Die übrigen untersuchten Haushaltstypen lagen im März relativ nahe an der allgemeinen Inflationsrate. Das gilt für Alleinlebende und Alleinerziehende mit jeweils mittleren Einkommen, die je 7,3 Prozent Teuerungsrate verzeichneten. Bei Familien und kinderlosen Paare mit jeweils mittleren Einkommen schlug die Inflation mit je 7,2 Prozent zu Buche. Alleinlebende und Familien mit jeweils hohen Einkommen hatten Inflationsraten von 7,1 bzw. 7,0 Prozent.

Mit Blick auf die Gütergruppen, die die Teuerung stark antreiben, hat sich im März ein Trend fortgesetzt, der schon im Vormonat zu beobachten war: Haushaltsenergie hat etwas an Einfluss auf die Inflation verloren, dafür spielten höhere Preise für Nahrungsmittel eine größere Rolle. Das ändert nichts am Grundmuster, dass die weiterhin wichtigsten Preistreiber Haushalte mit niedrigeren bis mittleren Einkommen überproportional belasten. Bei ärmeren Alleinstehenden machten sie 6,2 Prozentpunkte von 8,7 Prozent haushaltsspezifischer Inflationsrate aus. Bei Familien mit niedrigeren Einkommen summierten sie sich auf 5,9 Prozentpunkte, bei Familien mit mittleren Einkommen immerhin noch auf 4,5 Prozentpunkte. Das Problem wird vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen dadurch verschärft, dass die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, kaum zu ersetzen sind und viele nur geringe finanzielle Rücklagen haben.

Bei Alleinlebenden mit hohen Einkommen trugen Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 2,5 Prozentpunkte zur Inflationsrate von 6,3 Prozent bei. Bei ihnen wie den Haushalten mit höheren Einkommen waren dagegen beispielsweise die deutlich gestiegenen Preise für Pauschalreisen ein spürbarer Faktor bei der spezifischen Teuerung.

Für die kommenden Monate erwarten die Fachleute des IMK eine weitere leichte Entspannung bei der Preisentwicklung. Bislang sei die sogenannte Kernrate der Inflation – die Teuerung ohne Energie und Nahrungsmittel – zwar noch aufwärtsgerichtet. Das liege daran, dass die Preisschocks bei der Energie die Produktions- und Transportkosten nahezu aller Güter und Dienstleistungen verteuern, was zeitversetzt geschieht. Dieser Prozess könnte aber weitgehend abgeschlossen sein, schätzen Tober und Dullien: Mittlerweile dürften die Preisschocks „weitgehend in der Kernrate enthalten sein, sodass bei hinreichendem Wettbewerb in den kommenden Monaten Entspannung und teilweise auch Preisrückgänge zu erwarten wären“, schreiben die Forschenden.

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2.000-2.600 Euro), mittlerem (3.600-5.000 Euro), höherem (mehr als 5.000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2.000-2.600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1.500-2.000 Euro), höherem (2.000-2.600 Euro) und hohem (mehr als 5.000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3.600 und 5.000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=99545

Inhalt