Archiv der Kategorie: Aktuelles

Schüler nach Schulschluss auf dem Weg ins Sportinternat zum Mittagessen unfallversichert

SG Hannover, Pressemitteilung vom 24.03.2023 zum Urteil S 22 U 214/20 vom 14.03.2023 (nrkr)

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat entschieden, dass ein Schüler unfallversichert ist, der nach Schulschluss auf dem Weg in ein Sportinternat, um dort das Mittagessen einzunehmen und Hausaufgaben anzufertigen, verunfallt. Dass der Schüler danach beabsichtige, zum Kadertraining zu gehen, lasse den Unfallversicherungsschutz für den Weg von der Schule ins Sportinternat nicht entfallen.

Der Entscheidung lag der Fall eines damals 11-jährigen Schülers zugrunde, der täglich nach Schulschluss ein etwa 700 m entferntes Sportinternat aufsuchte, um dort zu Mittag zu essen, Hausaufgaben zu fertigen und danach von dort aus in das wiederum etwa 700 m entfernte Sportleistungszentrum zu gehen, um dort am Schwimm-Kadertraining teilzunehmen.

Der Unfallversicherungsträger verweigerte die Anerkennung des Unfalls als versicherten Wegeunfall mit der Begründung, das Sportinternat sei nur ein Zwischenziel, die Handlungstendenz des Schülers auf das Endziel der Teilnahme am Kadertraining im Leistungszentrum gerichtet gewesen, sodass der Weg von der allgemeinbildenden Schule kein versicherter Schulwegeunfall sei.

Die Kammer hat den Unfall des Schülers als versicherten Wegeunfall bei dem zuständigen Unfallversicherungsträger bejaht. Es liege eine wesentliche ursächliche Verknüpfung des Weges mit der versicherten Tätigkeit – mit dem Besuch der allgemeinbildenden Schule – vor. Die tägliche Verlegung des Endpunktes des „Heimweges“ von der elterlichen Wohnung ins Sportinternat sei aus sachlich gerechtfertigten Gründen angemessen und nicht willkürlich. Eine wesentliche ursächliche Verknüpfung mit dem Besuch der allgemeinbildenden Schule liege auch deshalb vor, weil die Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts und ihrer Aufsichtspflicht, das Kind anwiesen, das Sportinternat zur Einnahme des Mittagessens und zur Nutzung der Zeit zum Fertigen der Hausaufgaben täglich nach der Schule aufzusuchen. Der Aufenthalt im Sportinternat habe den Aufenthalt in der elterlichen Wohnung ersetzt. Es sei unfallversicherungsrechtlich nicht als Zwischenziel anzusehen, sondern als Endziel des Weges von der versicherten Tätigkeit, hier dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule. Unabhängig davon sei der später anzutretende Weg zum Kadertraining zu beurteilen.

Quelle: Sozialgericht Hannover

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Exmatrikulation wegen Chat-Austausches während Online-Klausur

VG Berlin, Pressemitteilung vom 24.03.2023 zum Urteil 12 K 52/22 vom 06.02.2023 (rkr)

Wer sich mit zahlreichen anderen Prüflingen über eine Messenger-Chat-Gruppe während der gesamten Bearbeitungszeit einer Online-Prüfung intensiv austauscht, kann dafür wegen schwerwiegender Täuschung exmatrikuliert werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die Klägerin war Studentin im Bachelorstudiengang „Öffentliche Verwaltung“ und schrieb im Juli 2021 eine dreistündige Online-Klausur. Dem Dozenten und Prüfer wurden nach der Korrektur dieser Klausur Screenshots von einem Chat-Verlauf zugespielt, in dem sich zahlreiche Prüfungsteilnehmer – darunter die Klägerin – zu Themen der Klausur während der Klausurbearbeitung austauschten. Die Hochschule leitete gegen Mitglieder der Chat-Gruppe ein Prüfungsverfahren wegen des Verdachts der Täuschung ein. Die Klägerin wurde wegen der besonderen Schwere der Täuschung exmatrikuliert.

Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Prüfungsordnung sehe die Exmatrikulation vor, wenn ein Prüfungsausschuss – wie hier geschehen – die besondere Schwere einer Täuschung feststelle. Diese Wertung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe sich in der Chat-Gruppe mit einer Vielzahl von Mitprüflingen über die gesamte Bearbeitungszeit der Prüfung ausgetauscht, Antworten auf Fragen von Kommilitonen mitgelesen, Fragen gestellt und selbst Stellung bezogen; sie habe auch die Möglichkeit gehabt, Screenshots von Antworten bezüglich des Multiple-Choice-Teils der Klausur einzusehen. Es komme nicht darauf an, ob die Stellungnahmen und Antworten tatsächlich als Hilfe für die Klausurbearbeitung geeignet und ob sie inhaltlich zutreffend seien. Irrelevant sei auch, ob die Chat-Gruppe ursprünglich von der Hochschule eingerichtet worden sei, denn die Prüflinge seien selbst verantwortlich dafür, dass sie die Prüfung ohne unerlaubte Hilfe ablegten. Nachdem es bei Online-Prüfungen zu einer Vielzahl von Täuschungen komme, habe die Hochschule bei der Wahl der Sanktion auch die allgemein abschreckende Wirkung der Exmatrikulation berücksichtigen dürfen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

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Smart-Meter-Rollout: Bundesrat fordert gerechte Kostenteilung

Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 24.03.2023

Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, die Einführung intelligenter Systeme für die Messung und Steuerung des Energieverbrauchs (sog. Smart-Meter-Rollout) zu beschleunigen. Die Länderkammer drängt aber auf eine gerechte Kostenteilung. So fordert der Bundesrat unter anderem die Einführung einer monatlichen Abrechnung für eine bessere Kostenkontrolle der Letztverbraucherinnen und Letztverbraucher. Darüber hinaus bittet er, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Entgelte gesenkt und Preisobergrenzen angepasst werden können – und klarzustellen, dass Messstellenbetreiber für Nachrüstungen, die die volle Funktionalität herstellen, keine zusätzlichen Kosten erheben dürfen. Darüber hinaus bittet der Bundesrat, die Einführung verpflichtender Mindeststandards für eine transparente Tarifkommunikation zu prüfen, „welche Verbraucher einen Tarifvergleich – auch zwischen dynamischen und klassischen Tarifmodellen – ermöglicht“. Das geht aus der Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/6006) zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hervor. Der Bundestag hat einen gleichlautenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/5549) bereits in erster Lesung beraten. Auch eine Anhörung fand schon statt. In ihrer Antwort auf die Stellungnahme erklärt die Bundesregierung, dass sie die Anliegen teile, sie aber im bestehenden Gesetzentwurf bereits weitestgehend verwirklicht sieht.

Der Nationale Normenkontrollrat kritisiert an dem Gesetzentwurf der Regierung, dass die Darstellung der Regelungsfolgen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und methodengerecht sei. So beanstandet er, dass die erwarteten Änderungen des Erfüllungsaufwandes für die Bürgerinnen und die Bürger sowie für die Wirtschaft nicht dargestellt seien: „Um ein realitätsnahes Bild der Kostenfolgen für Entscheidende und Öffentlichkeit zu ermöglichen, wäre zumindest eine Schätzung mit Angabe der erwarteten Ober- und Untergrenzen erforderlich gewesen“, heißt es. Darüber hinaus beanstandet der NKR die sehr kurzen Beteiligungsfristen, die das Ressort gesetzt habe, obwohl es sich nicht um ein krisenbedingtes Regelungsvorhaben handle.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 216/2023

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ifo-Präsident Fuest: Unternehmensteuern jetzt reformieren

ifo Institut, Pressemitteilung vom 24.03.2023

Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, hat eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung gefordert. „Steuersenkungen heute können die Bedingungen für Investitionen so verbessern, dass später die Steuereinnahmen wachsen, weil die wirtschaftliche Tätigkeit produktiver wird“, schreibt Fuest in einem Aufsatz. „Die Ampelkoalition will zwar die Abschreibungsregeln verbessern. Jedoch greift die Beschränkung auf Investitionen für den Klimaschutz und digitale Güter zu kurz.“ Beschleunigte Abschreibungen würden die Finanzierung von Investitionen erleichtern, gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken.

Auch bei der Gewerbesteuer sieht Fuest massive Schwächen. Sie verkompliziere das Steuersystem unnötig und in Wirtschaftskrisen brächen die Einnahmen der Städte und Gemeinden regelmäßig ein. Die Kommunen müssten dann ihre Investitionen senken, was der gesamten Wirtschaft schade. „Eine Reform der Kommunalfinanzen wäre politisch schwer umzusetzen, doch gibt es überzeugende Konzepte“, schreibt Fuest.

Der Staat fördere auch Forschung und Entwicklung oft durch komplizierte Programme. „Sinnvoller wäre es, die weniger bürokratische steuerliche Forschungsförderung auszubauen.” Unternehmen sehen sich bei der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und dem demografischen Wandel erheblichen Investitionen und Risiken gegenüber.

Quelle: ifo Institut

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Fachkräftemangel: Warum höhere Löhne keine Lösung sind

IW Köln, Pressemitteilung vom 24.03.2023

Immer wieder heißt es, der Fachkräftemangel existiere gar nicht und höhere Löhne würden das Problem zügig lösen. Vertreter dieser Position ignorieren, dass dem Arbeitsmarkt schlicht Hunderttausende passend qualifizierte Fachkräfte fehlen, Tendenz steigend. Zuletzt fehlten 630.000 Menschen – ähnlich viele Einwohner zählt Stuttgart.

Seit Wochen schwelt eine Debatte über die Ursachen des deutschen Fachkräftemangels. Dabei müssen oft einfache Lösungen für komplexe Probleme herhalten: Verkürzt heißt es dort, einen Fachkräftemangel gebe es nicht, Arbeitgeber müssten bei Löhnen und Gehältern nur tiefer in die Tasche greifen, um diese Stellen zu besetzen. Sogar in manchem deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut findet sich diese Ansicht.

Seit Jahrzehnten wird am IW zum Fachkräftemangel geforscht. Mit der IW-Fachkräftedatenbank verfügt das Institut über umfangreiche aktuelle Zahlen, die das wachsende Personalproblem der Unternehmen belegen. Die Daten basieren auf der Arbeitslosen- und Stellenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) und berücksichtigen rund 1.300 Berufsgattungen. Sie zeigen: Im vergangenen Jahr gab es bundesweit im Schnitt rund 1.339.000 offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte, aber nur 968.000 qualifizierte Arbeitslose. Rein rechnerisch fehlten dem Arbeitsmarkt somit mindestens 371.000 Fachkräfte. Erschwerend kommt hinzu, dass Angebot und Nachfrage regional sehr häufig nicht übereinstimmen.

2023 gehen 260.000 mehr Menschen in Rente als Jüngere nachrücken

Deutlich größer wird die Lücke, wenn die einzelnen Qualifikationen berücksichtigt werden: Ein Softwareentwickler kann nicht als Bauingenieur arbeiten und umgekehrt. Unter dieser Prämisse fehlen sogar 630.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Zum Vergleich: So viele Menschen leben in Stuttgart. Und das Problem wird nicht kleiner: In diesem Jahr verlassen netto 260.000 Beschäftigte altersbedingt mehr den Arbeitsmarkt als Jüngere nachrücken, Tendenz steigend.

An dieser Lücke würden höhere Löhne allein nichts ändern. Sie können weder kurzfristig dafür sorgen, dass benötigte Qualifikationen entstehen, noch mittelfristig Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt so verändern, dass ausreichend Mobilität entsteht. Stattdessen würden höhere Löhne in Branchen, in denen der Fachkräftemangel besonders groß ist, Dienstleistungen und Waren kurzfristig verteuern, mit drastischen Folgen: Denn die Spielräume sind für die Unternehmen in den letzten Jahren empfindlich geschrumpft. Corona-Pandemie und steigende Preise in Folge des Krieges haben die Kosten erheblich nach oben gedrückt, ganz besonders in der Industrie, die stark vom Fachkräftemangel und den Energiekosten betroffen ist. Zudem droht dann eine Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation in Deutschland weiter treiben würde.

Es braucht mehr qualifizierte Einwanderung

„Grundsätzlich gilt, dass Mangelberufe attraktiver werden müssen“, sagt IW-Ökonom und Studienautor Alexander Burstedde. „Viele Berufe, gerade im Handwerk, müssen für junge Menschen zu einer echten Alternative werden. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, Beruf und Privatleben gut miteinander zu verbinden.“ Allerdings reicht das inländische Potenzial nicht aus, so Burstedde: „Wir müssen qualifizierte Einwanderung fördern und in Zukunft mehr, nicht weniger arbeiten. Dafür braucht es auch mehr verlässliche Kinderbetreuung. Nur so lassen sich wichtige Zukunftsprojekte stemmen, nur so werden Ziele in der Digitalisierung und im Kampf gegen den Klimawandel erreicht.“

Quelle: IW Köln

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Know-How für die Wärmewende: Förderrichtlinie des BMWK für das Aufbauprogramm Wärmepumpe veröffentlicht

BMWK, Pressemitteilung vom 23.03.2023

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will zur Umsetzung der Wärmewende zusätzliche Fachkräfte für die Beratung, Planung und den Einbau von Wärmepumpen aktivieren. Mit der Bundesförderung Aufbauprogramm Wärmepumpe sollen Handwerkerinnen und Handwerker, Planende für technische Gebäudeausrüstung und Energieberatende zum Thema Wärmepumpe qualifiziert werden.

„Das neue Förderprogramm ist ein wichtiger Schritt für die Wärmewende. Mit der Bundesförderung Aufbauprogramm Wärmepumpe unterstützen wir die gut ausgebildeten Handwerkerinnen und Handwerker, die jetzt schon Heizungen einbauen dabei, sich rasch auf klimaneutrale Technologien auszurichten. Dabei berücksichtigen wir auch Energieberaterinnen und Energieberater sowie Planerinnen und Planer für technische Gebäudeausrüstung, die ihr Angebot stärker auf die vielfältigen Wärmepumpenlösungen im Gebäudebestand ausrichten möchten. Gleichzeitig bleiben wir mit dem Handwerk, den Sozialpartnern und der Industrie im Gespräch darüber, wie es gelingen kann, noch mehr Menschen für die tatkräftige Unterstützung der Wärmewende zu begeistern.“

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck

Das ab 01.04.2023 startende Programm fördert Schulungen zur Auslegung, zum Einbau von Wärmepumpen im Gebäudebestand. Außerdem wird als praktische Qualifizierungsmaßnahme ein Coaching vor Ort („training-on-the-job“) zu Wärmepumpen im Bestand für Handwerksbetriebe gefördert. Über 30 Monate sollen jährlich mindestens 17.500 Handwerkerinnen und Handwerker sowie etwa 3.000 Planende und Energieberatende zu Wärmepumpen im Bestand qualifiziert werden.

Auf dem Weg in ein klimaneutrales Deutschland ab 2045 ist die energieeffiziente Wärmeversorgung von Gebäuden auf Basis erneuerbarer Energien ein wichtiger Baustein. Wärmepumpen spielen hierfür eine zentrale Rolle. Ein breites Bündnis aus Handwerk, Industrie, Forschung, Sozialpartnern und Energiewirtschaft hat sich bei dem ersten Wärmepumpen-Gipfel im Sommer 2022 gemeinsam mit Bundesminister Habeck zum Wärmepumpenhochlauf, ab 2024 mindestens 500.000 Wärmepumpen jährlich zu installieren, bekannt.

Anträge zur Bundesförderung Aufbauprogramm Wärmepumpe können ab April beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt werden. Weitere Informationen erhalten Sie unter folgendem Link: www.bafa.de/baw

Quelle: BMWK

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Für eine sichere Energieversorgung bis 2030

DIHK, Mitteilung vom 23.03.2023

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden – und schon bis 2030 die Treibhausgasemission um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduzieren. Doch Russlands Angriff auf die Ukraine und die daraus folgende Energiekrise erschweren die Zielerreichung.

Die schwerste Energiekrise in der Geschichte der Bundesrepublik setzt die Wirtschaft unter Druck: Die hohen Energiepreise und die unsichere Versorgung bereiten Unternehmen weiterhin große Sorgen und bedrohen ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten. Nun steht die deutsche Wirtschaft vor zwei Herausforderungen: sich von der Krise zu erholen und gleichzeitig klimaneutral zu werden. In einem Positionspapier hat die DIHK wesentliche Punkte für eine künftig sichere und klimafreundliche Energieversorgung formuliert.

Ein resilienter Mix aus erneuerbaren und anderen Energieträgern

Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle – denn sie tragen dazu bei, CO2-Emission zu reduzieren. Allerdings ist der Ausbau in Deutschland nach wie vor zu langsam. Es ist zur Beschleunigung dringend erforderlich, mehr Fläche für Wind- und Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sollen die Genehmigungsverfahren etwa durch Wegfallen von Prüfschritten beschleunigt werden. Virtuelle langfristige Stromlieferverträge – sog. Virtual Power Purchase Agreements (PPA) – können Unternehmen dazu motivieren, mehr im Ausland in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren. Hierbei kaufen Unternehmen Herkunftsnachweise für Grünstrom von einem in- oder auch ausländischen Erzeuger, erhalten aber den tatsächlichen Strom von ihren örtlichen Lieferanten.

Neben Wind- und Solarenergie ist Wasserstoff ein Hoffnungsträger und kann Unternehmen mittel- und langfristig dabei helfen, ihre Klimaziele zu erreichen. Daher ist es notwendig, den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen beziehungsweise Betrieben den Bezug von Wasserstoff – auch in großer Menge – zu ermöglichen. Hier ist eine gute Infrastruktur ein entscheidender Faktor. Solange diese nicht vorhanden ist, sollten in der Übergangszeit Unternehmen ihre betrieblichen Klimaneutralitätsziele auch durch den bilanziellen Bezug von Wasserstoff erreichen können. Das heißt: Die Unternehmen kaufen diesen, beziehen aber vorerst weiterhin Erdgas.

Es ist noch ein langer Weg, bis Deutschland klimaneutral ist. Der Wandel des Energiemix von fossilen zu erneuerbaren Energien ist zweifellos eine Herkulesaufgabe. Um zu einer resilienten und wettbewerbsfähigen Energieversorgung zu gelangen, benötigt es in der Übergangszeit verschiedene, vor allem wetterunabhängige Brückentechnologien. Hierzu zählen konventionelle Gasförderung, Wasserkraft, Tiefen-Geothermie und Biomasse. Kraftwerke sollten nur abgeschaltet werden, wenn es ausreichend Ersatz gibt. Daher ist davon auszugehen, dass auch Kohlekraftwerke noch länger zur Absicherung benötigt werden.

Wettbewerbsfähige Preise und Infrastrukturausbau

Die gestiegenen Energiekosten belasten die Wirtschaft enorm – und beeinflussen die Attraktivität des Standorts Deutschland negativ. Obwohl die Politik bereits viele Maßnahmen ergriffen hat, um die Preise zu senken, liegen diese für energieintensive Prozesse und Dienstleistungen deutlich über den Beschaffungskosten in Frankreich oder den USA. Dauerhaft sinken die Energiekosten nur, wenn das Angebot zunimmt. Parallel dazu sind konkrete Entlastungen für Unternehmen notwendig – etwa durch reduzierte Strom- und Energiesteuern auf Gas oder direkte Steuervergünstigungen für Anlagen mit langfristigen Stromlieferverträgen.

Der Ausweitung des Energieangebots verlangt einen Ausbau der Infrastruktur. Ohne entsprechenden Infrastrukturzugang können Unternehmen sich nicht oder nur eingeschränkt an der Energiewende beteiligen. Es ist daher erforderlich, den Ausbau der Netzinfrastruktur – nicht nur national, sondern auch grenzüberschreitend – zu koordinieren, und über alle Energieträger hinweg beschleunigt umzusetzen.

Mehr Offenheit für Innovationen

Neue Technologien und Innovationen sind für eine erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik von großer Bedeutung. Sie können dazu beitragen, die Energieeffizienz zu erhöhen. Gleichzeitig erfordern sie besonders hohe Investitionen. An dieser Stelle sollte die Regierung mit geeigneter und technologieoffener Förderungspolitik die Betriebe verstärkt unterstützen. Wichtig ist auch der der Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen untereinander. Bürokratische Nachweis- und Berichtspflichten sind hingegen kontraproduktiv.

Verstärkte Kooperation mit EU-Staaten, aber auch mit Drittländern

Für eine stärkere Resilienz der europäischen Energieversorgung ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien auszuweiten. Gleichzeitig werden Kooperationsmöglichkeiten mit Ländern außerhalb der Europäischen Union immer wichtiger. Schließlich bleibt die deutsche Wirtschaft dauerhaft auf Energie- und Rohstoffimporte angewiesen. Der Ausbau von diversifizierten Energiepartnerschaften kann hierbei Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern reduzieren.

Quelle: DIHK

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Urteil im Prozess um Strom- und Gaspreiserhöhungen bei vertraglich zugesagten Preisgarantien

OLG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 23.03.2023 zum Urteil I-20 U 318/20 vom 23.03.2023 (rkr)

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen eine einseitige Preisanpassung als solche wenden. Dass die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, zur einseitigen Preisanpassung berechtigt zu sein, unrichtig ist, stellt keine Täuschung des Kunden dar. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden (Urteil I-20 U 318/20 vom 23.03.2023).

Der Antragsteller, ein Verein der sich unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, nimmt im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch (vgl. Pressemitteilung vom 09.03.2023). Das Landgericht Düsseldorf hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.11.2022 unter anderem untersagt, während des vereinbarten Zeitraums einer Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen (Az. 12 O 247/22). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat insoweit Erfolg. Zwar stand ihr nach der Auffassung des Senats ein Recht zur einseitigen Preiserhöhung, gestützt auf § 313 BGB nicht zu, weil der Gesetzgeber auf die „Gaskrise“ reagiert und in § 24 EnSiG ein spezialgesetzliches Preisänderungsrecht eingeführt hat, das die Anwendung des § 313 BGB verdrängt. Dass die Voraussetzungen des § 24 EnSiG nicht vorliegen, weil die Bundesnetzagentur nicht eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 24 EnSiG zu erkennen gegeben, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Versorger nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist.

Der Unterlassungsanspruch hat jedoch deswegen keinen Erfolg, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen unter anderem dann fehlt, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung als solche gegenüber Kunden aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären. Im Übrigen handelt es sich bei der Preisanpassungserklärung auch nicht um eine täuschende Angabe.

Demgegenüber darf die Antragsgegnerin nicht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwenden, in der in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit und Preisfixierung ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat eingeräumt wird. Eine solche Klausel führt zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie und ist unwirksam. Insoweit hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht möglich, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.

Quelle: OLG Düsseldorf

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=98019

Gesucht werden: Arbeitnehmer mit digitalen Kenntnissen

ifo Institut, Pressemitteilung vom 23.03.2023

Arbeitnehmer mit digitalen Kenntnissen werden von den Firmen besonders gesucht. Das geht hervor aus einer ifo-Auswertung von 1,8 Millionen Online-Stellenanzeigen von Unternehmen in München und Oberbayern im Zeitraum 2019 bis Mitte 2022. Dabei wurden digitale Fähigkeiten in 70 Prozent der ausgewerteten Stellenanzeigen gefordert. „Für Beschäftigte sind neben Fachwissen zunehmend Fähigkeiten wichtig, die sie anpassungsfähig an den technischen Wandel machen“, erläutert Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.

„Unternehmen erwarten insbesondere digitale Fähigkeiten sowie Problemlösefähigkeit und Flexibilität, die für eine Vielzahl an Tätigkeiten nützlich sind“, fügt er hinzu. „Bei den digitalen Kompetenzen sind nicht nur Anwendungskompetenzen gefragt, sondern auch die Analyse großer Datenmengen oder die Beherrschung der Cloud gewinnen an Bedeutung. Erwartungsgemäß führen die IT-Dienstleistungen und die Telekommunikationsbranche die Rangliste bei diesen technischen Digitalkenntnissen an, aber auch die Automobilbranche und der Maschinenbau sind ganz vorne mit dabei“, erläutert Falck. Er ist Mitautor einer ifo-Studie zu den Kompetenzen und Fähigkeiten in der modernen Arbeitswelt.

Quelle: ifo Institut

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=98016

BFH zur Organschaft im Umsatzsteuerrecht

BFH, Pressemitteilung Nr. 19/23 vom 23.03.2023 zum Urteil XI R 29/22 (XI R 16/18) vom 18.01.2023 und zum Beschluss V R 20/22 (V R 40/19) vom 26.01.2023

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei die Organschaft betreffenden Entscheidungen zum einen seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. Beide Entscheidungen sind nach Vorabentscheidung durch den EuGH ergangen.

Mit dem Urteil vom 18.01.2023 – XI R 29/22 (Az. XI R 16/18) – sieht der BFH die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft entgegen früheren Zweifeln weiterhin als unionsrechtskonform an. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) werden gewährleistet, da der BFH schon bisher die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 der Abgabenordnung für die Umsatzsteuer des Organträgers haftet.

Im Hinblick auf das Kriterium der Willensdurchsetzung ändert der BFH allerdings seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Für das Bestehen einer Organschaft ist zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Die finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

Mit dem Beschluss vom 26.01.2023 – V R 20/22 (Az. V R 40/19) – soll geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist.

Nach einer vor einhundert Jahren vom Reichsfinanzhof begründeten Rechtsprechung, die später vom Gesetzgeber in das UStG übernommen wurde, unterliegen Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als „unselbstständiger“ Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbstständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z. B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, sodass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.

Quelle: Bundesfinanzhof

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=97991