BRAK, Mitteilung vom 18.02.2025 zum Beschluss Ws 649/24 des OLG Nürnberg vom 25.09.2024
Weil er keinen Laptop besaß, druckte ein Pflichtverteidiger 7.000 Seiten Digitalakte einfach aus. Die Kosten muss er selbst tragen, so das OLG Nürnberg.
Ein Pflichtverteidiger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Kosten für das Ausdrucken einer fast 7.000-seitigen digital überlassenen Akte erstattet werden. In der Regel sei der Ausdruck zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht geboten. Davon gebe es in Zeiten der Digitalisierung nur noch seltene Ausnahmen, so das OLG Nürnberg (Beschluss vom 25.09.2024, Az. Ws 649/24).
Der Rechtsanwalt hatte die umfangreiche Akte für seinen Mandanten nur digital (CDs/DVDs und Einsicht in das Justizportal) erhalten. Weil er aber keinen Laptop besaß, druckte er die gesamte Akte kurzerhand aus und wollte die Kosten in Höhe von fast 2.000 Euro erstattet bekommen. Bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hatte er zunächst keinen Erfolg mit diesem Anliegen. Weder sein Argument eines fehlenden Laptops noch die Hinweise, dass das LG Weiden i. d. OPf. auch noch mit der Papierakte arbeite und bislang in Strafsachen die elektronische Akte noch nicht eingeführt worden sei, reichten ihr aus. Das LG Weiden selbst sah das – auf Erinnerung des Anwalts – allerdings anders und sprach ihm immerhin einen Großteil der Kopierkosten als Dokumentenpauschale aus zu. Der Bezirksrevisor legte dagegen jedoch Beschwerde ein. Vor dem LG Weiden scheiterte er zwar noch, hatte nun aber vor dem OLG Nürnberg in zweiter Instanz Erfolg.
OLG Nürnberg: Ausdruck ist grundsätzlich nicht erforderlich
Die Dokumentenpauschale sei hier nicht nach § 46 RVG i. V. m. Nr. 7.000 Ziffer 1 lit. a VV RVG Nr. 7.000 „zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten“ gewesen, so das OLG. Diese Erforderlichkeit beurteile sich nicht aus der subjektiven Sicht des Anwalts, sondern objektiviert, aus der Perspektive eines vernünftigen sachkundigen Dritten. Im Zuge der Digitalisierung änderte das OLG Nürnberg – im Einklang mit den OLGen Frankfurt a. M. und Rostock – nun grundlegend seine Rechtsprechung: Der Ausdruck einer digitalen Akte könne ohne Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich nicht (mehr) mit der Dokumentenpauschale vergütet werden.
Der Einwand des Verteidigers, keinen Laptop zu besitzen, half ihm dabei nicht.
„Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind gemäß § 5 BORA verpflichtet, die für ihre Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzuhalten“,
zitiert das OLG Nürnberg, und schließt daraus: Dazu gehört auch ein Computer, um E-Akten bearbeiten zu können.
Ebenfalls erfolglos blieb das Argument des Anwalts, die verpflichtende E-Akte sei noch nicht eingeführt: In Zivil- und Familiensachen sei dies in Bayern und vielen anderen Bundesländern bereits seit längerem der Fall. In Strafsachen könnten E-Akten ebenfalls bereits geführt werden; ab 01.01.2026 sei dies dann verpflichtend. Bei einigen Staatsanwaltschaften und Gerichten in Bayern liefen bereits Pilotprojekte und die Regeleinführung der E-Gerichtsakte habe bereits begonnen. Der Umgang mit E-Akten gehöre also mittlerweile zum Alltag im gerichtlichen und anwaltlichen Berufsleben. Dass die elektronische Aktenführung für Rechtsanwälte nicht verpflichtend ist, ändere daran nichts.
Ausdrucke einzelner Seiten nur in Ausnahmefällen
Wollte ein Anwalt im Einzelfall dennoch Teile einer Akte ausdrucken, treffe ihn daher eine besondere Begründungs- und Darlegungslast, warum dies notwendig sei. Schließlich erleichtere eine digitale Akte auch erheblich die Möglichkeit, gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff digital gezielt auf bestimmte Informationen zuzugreifen. Daher sei es dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der E-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, gegebenenfalls einzelne Teile der Akte auszudrucken. Beispiele seien etwa Protokolle von Zeugenaussagen oder einzelne Papiere für die Besprechung mit dem Mandanten, um darauf Anmerkungen zu notieren. Hierzu hatte der Anwalt aber nichts vorgetragen. Sein Argument, den gesamten Ausdruck für solche Besprechungen als praktikabler zu empfinden, reichte dem OLG hingegen nicht. Schließlich könne man auch in digitalen Dokumenten Anmerkungen machen.
Auch aus Gründen der Waffengleichheit müsse man die E-Akte nicht ausdrucken. Die Arbeit mit einer Papierakte sei der mit einer elektronischen Akte nicht überlegen. Vielmehr könnten die elektronische Suchfunktion oder das Anbringen von elektronischen Lesezeichen die Aktenarbeit gerade in umfangreichen Verfahren vereinfachen.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer
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