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Leiharbeit von Juristen: Keine Anwaltszulassung für ausgeliehene Projektjuristen

BRAK, Mitteilung vom 19.06.2023

An eine Kanzlei ausgeliehene Projektjuristen können weder die Zulassung als angestellte Anwälte noch als Syndizi für anwaltliche Tätigkeiten erhalten.

Juristinnen und Juristen können weder als Rechtsanwältinnen und -anwälte noch als Syndizi zugelassen werden, wenn sie über eine Leiharbeitsfirma an Kanzleien ausgeliehen werden und dort im Außenverhältnis gegenüber Mandanten auftreten sollen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil entschieden. Eine solche Konstellation berge die Gefahr von Interessenkollisionen und sei mit der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar. Einer Leiharbeit stehe hingegen nichts im Weg, wenn ein niedergelassener Rechtsanwalt bzw. eine -anwältin in der ausgeliehenen Kanzlei lediglich nichtanwaltlich im Back Office arbeite (Urt. v. 20.03.2023, Az. AnwZ (Brfg) 12/21).

Entliehener Jurist sollte explizit im Außenverhältnis auftreten

Bei dem Verfahren handelte es sich um einen Musterprozess der Kanzlei Taylor Wessing, in welchem die Grenzen der anwaltlichen Leiharbeit abgesteckt werden sollten. Immer häufiger werden über Zeitarbeitsfirmen Juristinnen und Juristen eingesetzt, um insbesondere in Masseklageverfahren kurzfristig und zeitgebunden Akten bearbeiten zu können. Meist arbeiten sie im Back Office und treten nicht nach außen auf.

In diesem Fall jedoch sollte der bei der Leiharbeitsfirma angestellte Volljurist laut Vertrag genau dies tun. Hierfür beantragte er die Zulassung als Rechtsanwalt. Kanzlei und Jurist wollten auf Nachdruck der Kammer auch nicht auf die Möglichkeit des Außenauftritts verzichten. Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf lehnte daraufhin die Zulassung nach § 7 Nr. 8 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ab. Ein Rechtsanwalt könne qua Gesetz nur entweder in einer Kanzlei oder in einem Unternehmen als Syndikus angestellt werden. Die hier vorliegende Dreiecks-Konstellation sei gesetzlich jedoch nicht erfasst und auch mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar. Eine dagegen eingereichte Klage wies der Anwaltsgerichtshof (AGH) NRW ab (Urt. v. 15.01.2021, Az. 1 AGH 10/20). Zumindest ein Außenauftritt für die Kanzlei sei gesetzlich nicht vorgesehen.

BGH: Gesetz schließt die Zulassung in dieser Konstellation aus

Der Anwaltssenat des BGH stimmte der Vorinstanz nun zu. Tatsächlich stehe einer Zulassung in dieser Konstellation der Versagungsgrund des § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO entgegen. Eine derartige Beschäftigung sei mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar und könne das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden. § 46 BRAO enthalte eine abschließende Regelung zulässiger Formen angestellter anwaltlicher Tätigkeit. Hier sei aber weder die Zulassung als angestellter Rechtsanwalt noch die als Syndikusanwalt möglich.

Allerdings stellt der BGH ausdrücklich klar, dass das Grundkonzept der Leiharbeitnehmerschaft bei Rechtsanwältinnen und -anwälten nicht grundsätzlich rechtswidrig ist. Wenn ein bereits zuvor zugelassener, selbstständiger Rechtsanwalt über eine Leiharbeitsfirma im Back Office einer Kanzlei tätig werde, sei durchaus zulässig. Für eine solche Konstellation könne auch die Zulassung als Rechtsanwalt gewährt werden. Zumindest, sofern rechtlich und tatsächlich gewährleistet sei, dass dem Anwalt neben seiner Leiharbeitnehmertätigkeit ein ausreichender Handlungsspielraum für die Ausübung seiner eigenen Anwaltstätigkeit verbleibe. Außerdem dürfe er bei den möglichen Entleihern nicht zu Tätigkeiten eingesetzt werden, die er nach § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO nicht ausüben darf. Interessenkonflikte seien hier nicht zu befürchten.

Eine Zulassung als angestellter Rechtsanwalt komme in dieser Konstellation hingegen nicht in Betracht, weil Arbeitgeber hier nicht die Kanzlei, sondern die – nichtanwaltliche – Leiharbeitsfirma sei. Ein funktionales Begriffsverständnis, wonach die Kanzlei Arbeitgeberin sei, gebe das Gesetz nicht her, wie der BGH mit einer ausführlichen Auslegung erläutert. In der vorliegenden Konstellation bestünde außerdem – entgegen der Auffassung des Klägers – die Gefahr von Interessenkonflikten, weil der Volljurist auch Mandantinnen und Mandaten beraten solle. Schließlich sei er hier primär seinem Arbeitgeber, der Leiharbeitsfirma, verpflichtet und damit höchstwahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen nicht unabhängig und daher nicht nur dem Mandanten verpflichtet.

Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusanwalt lägen nicht vor, weil der Jurist entgegen § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO nicht in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers (der Leiharbeitsfirma) anwaltlich tätig werden wolle, sondern eben für die Kanzlei. Zwar stehe nach der Neuregelung des § 46 Abs. 6 BRAO nicht mehr jede drittberatende Tätigkeit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen. Da der Jurist jedoch ausschließlich zu einer solchen Drittberatung überlassen werde, fehle es an der erforderlichen anwaltlichen Prägung seines Arbeitsverhältnisses.

Eine solche Beschränkung verstoße auch nicht gegen Grundrechte, insbesondere die Berufsfreiheit aller Beteiligten nach Art. 12 Grundgesetz (GG). Schließlich bestünden – neben der Leiharbeit eines selbstständigen Rechtsanwalts nur zu nichtanwaltlichen Tätigkeiten – weitere Möglichkeiten, als zugelassener Rechtsanwalt flexible Projektarbeit für eine Kanzlei zu verrichten: So etwa als angestellter Anwalt im Wege eines befristeten Arbeitsvertrags unmittelbar mit der Kanzlei, als selbstständiger Anwalt über die freie Mitarbeit für die Kanzlei oder über eine Untervollmacht.

Quelle: BRAK

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=103316

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