FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 10.07.2023 zum Gerichtsbescheid 10 K 262/22 vom 21.10.2022 (rkr)
- Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann.
- Die Verschaffung von Krankenversicherungsschutz unterliegt als Sachbezug der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 Einkommensteuergesetz (EStG).
- Durch die jährliche Vorauszahlung der Krankenversicherungsbeiträge entsteht kein von den laufenden (monatlichen) Lohnzahlungszeiträumen abweichender Zufluss des Sachbezugs „Versicherungsschutz“ beim Arbeitnehmer, wenn dieser zum Zeitpunkt der Beitragszahlung durch den Arbeitgeber noch keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung für das gesamte Versicherungsjahr hat.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte für ihre über 300 Arbeitnehmer ab Juni 2012 eine betriebliche Gruppenversicherung abgeschlossen. Versichert waren Zusatzleistungen zur Krankenversicherung (Vorsorge, Reise, Zahnbehandlung, Zahnersatz). Die Klägerin war Versicherungsnehmerin, Hauptversicherte waren deren Arbeitnehmer. Die Vertragsdauer betrug pro versicherter Person ein Jahr. Der für die versicherte Person abgeschlossene Tarif endete mit dem Ausscheiden aus dem nach dem Gruppenversicherungsvertrag versicherbaren Personenkreis. Die Beiträge für die Gruppenversicherung waren als laufende Monatsbeiträge kalkuliert und monatlich zu zahlen. Die Klägerin leistete die Beiträge als jährliche Vorauszahlung, weil sie hierfür einen Nachlass von 4 % erhielt. Die Beiträge beliefen sich je Arbeitnehmer auf Beträge zwischen 99,19 Euro und 432,92 Euro jährlich.
Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung vertrat das beklagte Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die Beitragszahlung der Klägerin in den Streitjahren 2014 und 2015 zum Zufluss von Barlohn für die Arbeitnehmer führe und die 44 Euro-Freigrenze für Sachbezüge nicht anwendbar sei. Das gegen den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer geführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Aus den Gründen
Das Finanzgericht gab der Klage gegen den Nachforderungsbescheid statt. Die jährlich bezahlten Beiträge zu der Gruppenkrankenversicherung seien dem jeweiligen Arbeitnehmer im Kalendermonat der Beitragszahlung als Sachlohn zugeflossen und hätten die 44 Euro-Grenze nicht überschritten.
Versicherungsschutz als Sachbezug
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehörten auch Sachbezüge, wie sie in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG im Klammerzusatz als Regelbeispiel aufgeführt seien („Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge)“. Ein Sachbezug liege auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräume. Dies sei bei der Verschaffung von Versicherungsschutz zu bejahen.
Veranlassung durch das Dienstverhältnis
Die durch den Sachbezug bewirkte Bereicherung des jeweiligen Arbeitnehmers sei auch „für“ die Arbeitsleistung gewährt worden. Die Aufnahme der Arbeitnehmer der Klägerin in den Gruppenversicherungsvertrag sei durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst. (Haupt-)Versicherte seien die Arbeitnehmer der Klägerin. Der Versicherungsschutz sei nach den Versicherungsbedingungen an die Arbeitnehmereigenschaft bei der Klägerin gebunden gewesen und für die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer gewährt worden.
Abgrenzung Sachbezug zu Barlohn bei Gewährung von Krankenversicherungsschutz
Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz sei in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen könne. Zahle der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer dagegen einen Zuschuss unter der Bedingung, dass dieser mit einem vom Arbeitgeber benannten Unternehmen einen Vertrag schließe, wende er Geld und nicht eine Sache zu. Im vorliegenden Streitfall stellten die von der Klägerin an die Versicherungsgesellschaft geleisteten Beiträge zur Gewährung von Krankenversicherungsschutz Sachlohn dar.
Anwendbarkeit der monatlichen Freigrenze i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG
Die Verschaffung von Krankenversicherungsschutz unterliege als Sachbezug der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG in der in den Streitjahren 2014 und 2015 gültigen Fassung. Danach blieben Sachbezüge außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht überstiegen. Für die Berechnung der monatlichen Freigrenze sei der Zuflusszeitpunkt des Sachbezugs maßgeblich.
Monatlicher Zufluss des Sachbezugs Versicherungsschutz
Der von der Klägerin zugewandte Versicherungsschutz sei laufender Arbeitslohn i. S. von § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG, der den Arbeitnehmern regelmäßig und nicht einmalig im Kalenderjahr mit der Zahlung der Beiträge durch die Klägerin an die Versicherungsgesellschaft zugeflossen sei. Die Arbeitnehmer hätten die wirtschaftliche Verfügungsmacht mit der monatlichen Gewährung des Versicherungsschutzes erlangt. Nach den Versicherungsbedingungen hätten die Beiträge für die Versicherung als laufende Monatsbeiträge (Zahlungsperiode) gezahlt werden müssen und seien als Monatsbeiträge kalkuliert gewesen. Lediglich hinsichtlich der Fälligkeit der Beiträge habe für die Klägerin die Möglichkeit bestanden, mehrere Monatsbeiträge im Voraus zu zahlen, um einen Nachlass zu erhalten. Ein Beitragsrabatt ändere aber nichts an der vereinbarten monatlichen Zahlungsperiode.
Kein Zufluss des Sachbezugs „Versicherungsschutz“ mit der jährlichen Vorauszahlung
Mit der jährlichen Vorauszahlung der Beiträge sei den Arbeitnehmern der Sachbezug „Versicherungsschutz“ bei wirtschaftlicher Betrachtung noch nicht zugeflossen. Zwar erlangten die Arbeitnehmer als Versicherte einen unmittelbaren Anspruch auf Krankenversicherungsschutz gegen die Versicherungsgesellschaft. Die Arbeitnehmer hätten zum Zeitpunkt der Beitragszahlung durch die Klägerin jedoch noch keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung für das gesamte Versicherungsjahr gehabt, der durch die Klägerin als Arbeitgeberin bereits im jährlichen Zahlungszeitpunkt der Beiträge zu erfüllen und von ihr in voller Höhe der Beiträge geschuldet gewesen sei. Hinzukommen müsste das Fortbestehen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses während des Versicherungsjahres. Die Arbeitnehmer hätten im Zeitpunkt der jährlichen Beitragszahlung daher noch keinen unentziehbaren Rechtsanspruch auf Versicherungsschutz für das Versicherungsjahr gehabt.
Höhe des geldwerten Vorteils
Für die Bewertung der Sachbezüge sei der monatlich zugeflossene geldwerte Vorteil maßgeblich, der gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen sei. Im vorliegenden Streitfall hätten die Beteiligten hinsichtlich der Höhe der Sachbezugswerte eine tatsächliche Verständigung getroffen, dass die jeweiligen Sachbezugswerte des Versicherungsschutzes den von der Klägerin bezahlten Versicherungsprämien von monatlich zwischen 8,27 Euro und 36,08 Euro je Arbeitnehmer entsprechen würden. Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG i. H. v. 44 Euro sei demzufolge nicht überschritten.
Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg Newsletter 1/2023
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