Reformstau bei der Umsatzsteuer auflösen

Bundesrechnungshof, Pressemitteilung vom 16.01.2013

"Der Reformbedarf bei der Umsatzsteuer ist enorm", mahnt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Prof. Dr. Dieter Engels, als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung anlässlich der Veröffentlichung seines Berichts "Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens". "Bei zentralen Aspekten der Umsatzsteuer sehe ich dringenden Handlungsbedarf", so Prof. Engels, "handeln wir nicht, nehmen wir erhebliche Steuerausfälle, unangemessenen Bürokratieaufwand und hohe EU-Strafzahlungen in Kauf".

Wesentliche Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens hat das Bundesfinanzministerium bislang nicht umgesetzt. Es hat Arbeitsgruppen und Kommissionen eingerichtet, die entweder noch nicht getagt haben oder über deren Ergebnisse bis heute nicht abschließend entschieden worden ist. Kein einziges Reformvorhaben wurde entscheidend voran gebracht.

Mit dem am 16.01.2013 vorgelegten Bericht möchte der Bundesbeauftragte die Reformdebatte nochmals anstoßen. Darin macht er konkrete Vorschläge für ein einfaches, EU-rechtskonformes und zielgenaues Umsatzsteuerrecht. So können zusätzliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe erzielt, die Steuererhebung vereinfacht und bestehende Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.

Es gilt insbesondere

  • den Katalog der Steuerermäßigungen grundlegend zu überarbeiten,
  • ein einfaches und wenig verwaltungsaufwendiges Umsatzsteuer-Binnenmarkt-Kontrollverfahren einzurichten,
  • das nationale Recht an die EU-rechtlichen Vorgaben anzupassen; hier in erster Linie (a) die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend zu überdenken und (b) auf die notwendigen Rechtsänderungen bei der Umsatzbesteuerung von Vereinen hinzuwirken;
  • die steuerlichen Datenbanken zur Betrugsbekämpfung zu verbessern.

Katalog der Steuerermäßigungen: Das System der ermäßigten Steuersätze ist grundsätzlich zu reformieren. Nur so können Abgrenzungsschwierigkeiten, missbräuchliche Gestaltungen oder Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.

Umsatzsteuer-Binnenmarkt-Kontrollverfahren: Der Umsatzsteuerbetrug in der EU hat System und führt in Deutschland und in der EU nach wie vor zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Ein automatisierter Datenabgleich und eine bessere Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten sind notwendig.

EU-Recht: (a) Die öffentliche Hand in Deutschland wird in vielen Bereichen auch dann nicht besteuert, wenn sie im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten Leistungen anbietet. Dies verstößt gegen EU-Recht. (b) Das Unionsrecht zur Umsatzbesteuerung von Vereinen ist nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt worden. Die dadurch bedingte Regelungslücke ermöglicht Vereinen Steuervorteile, die so weder nach europäischem noch nach nationalem Recht vorgesehen sind. Die notwendigen Rechtsanpassungen sollten in beiden Fällen bald-möglichst vorgenommen werden.

Betrugsbekämpfung: Eine effektive bundesweite Betrugsbekämpfung bedarf einer optimalen Vernetzung der Datenbestände über Betrugsfälle mit Datenbeständen über grundlegende Informationen der Steuerpflichtigen. Eine technische Umsetzung steht noch aus.

Die Umsatzsteuer ist die wichtigste Einnahmequelle für Bund und Länder. Im Haushaltsjahr 2011 belief sich das Umsatzsteueraufkommen auf 138,9 Mrd. Euro.

Der Bericht des Bundesbeauftragten ist im Internetauftritt des Bundesrechnungshofes abrufbar.

Quelle: Bundesrechnungshof