VG Wiesbaden, Pressemitteilung vom 14.01.2013 zum Urteil 6 K 942/12.WI vom 29.10.2012
Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat durch Urteil vom 29.10.2012 entschieden, dass Schüler, die die 10. Klasse im Rahmen der Schulform G8 besuchen, Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten haben.
Die Klägerin besucht seit August 2011 im Rahmen der Schulform G8 die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe. Ihr Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten wurde vom Rheingau-Taunus-Kreis mit der Begründung zurückgewiesen, für den Besuch der Oberstufe (Klasse 10 bei G8-Schülern und Klasse 11 bei G9-Schülern) erfolge keine Erstattung der Fahrtkosten.
Das Gericht gab der Klage statt. Nach dem Schulgesetz (§ 161 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Nr. 3 HSchG) seien die Schulträger verpflichtet, für die auf ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) die notwendigen Beförderungskosten zur nächstgelegenen aufnahmefähigen Schule zu erstatten, deren Unterrichtsangebot es der Schülerin oder dem Schüler ermöglicht, den gewünschten Abschluss am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe I) ohne Schulwechsel zu erreichen.
Das Gericht urteilte, dass die Mittelstufe (Sekundarstufe I) zweifellos mit dem Abschluss der mittleren Reife endet und nicht mit einem Hauptschulabschluss. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main habe hierzu bereits entschieden, dass der mittlere Abschluss am Ende der Jahrgangsstufe 10 erteilt werde, gleich ob es sich um G8- oder G9- Schüler handele. Das Zeugnis von G9-Schülern, die die Jahrgangsstufen 5 bis 10 absolvierten, werde mit der Versetzung in die Einführungsphase (Klasse 11) in die gymnasiale Oberstufe dem mittleren Abschluss gleichgestellt. Bei Schülern, die den verkürzten Bildungsgang G8 mit den Jahrgangsstufen 5 bis 9 absolvierten, erfolge eine Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss erst mit der Zulassung zur Qualifikationsphase (Klasse 11) der gymnasialen Oberstufe, weil diese Schüler dann ebenfalls 10 Schuljahre besucht haben. Dies ergebe sich auch aus der entsprechenden Verordnung (§ 39 Abs. 2 VOBGM).
Dass die Mittelstufe bei G8-Schülern mit der 9. Klasse ende, regele das Gesetz demgegenüber nicht. Nach den Feststellungen des Gerichts sei bei G8 die 10. Klasse als Einführungsphase Teil der Sekundarstufe II, zugleich sei jedoch die 10. Klasse auch als Jahrgangsstufe 10 die Grundlage zum Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses (Sekundarstufe I), welche zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe berechtigt (§ 13 Abs. 4 HSchG). Da die Erstattungsvorschrift des § 161 HSchG eindeutig auf den gewünschten Abschluss am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe I) abstelle, bestehe mangels genauer gesetzlicher Regelung die Situation, dass die Klasse 10 bei G8-Schülern sowohl der Sekundarstufe I als auch der Sekundarstufe II angehöre, quasi eine Schnittmenge bilde. Diese Unklarheiten könnten nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
Gegen das Urteil hat der Beklagte die Zulassung der Berufung bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel bereits beantragt (Az. 6 K 942/12.WI).
Anhang
Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschlussprüfungen in der Mittelstufe (VOBGM) vom 14. Juni 2005 § 39 – Gleichstellung mit dem Abschluss der Jahrgangstufe 9 (Hauptschulabschluss) und dem mittleren Abschluss (Realschulabschluss) Hessisches Schulgesetz (Schulgesetz – HSchG -) in der Fassung vom 14. Juni 2005 § 31 – Gliederung § 161 – Schülerbeförderung |
Quelle: VG Wiesbaden