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Streit um Dienstleistungen auf der Esoterik-Messe

AG München, Pressemitteilung vom 06.05.2024 zum Urteil 275 C 21496/23 vom 25.04.2024 (nrkr)

Im Streit um die Wirksamkeit eines auf einer Esoterik-Messe geschlossenen Dienstleistungsvertrages erachtete das Amtsgericht München eine Klage auf Rückzahlung von 600 Euro für teilweise begründet und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 200 Euro.

Die Klägerin hatte als Verbraucherin eine Esoterik-Messe besucht, auf der die Beklagte aus München an einem Stand verschiedene Waren und Dienstleistungen anbot. Die Beklagte führte bei der Klägerin eine „Sitzung“ und einen „Scan“ durch und forderte hierfür im Nachhinein insgesamt 400 Euro sowie für die Buchung eines Seminars bei der Beklagten weitere 500 Euro. Die Klägerin bezahlte vor Ort 600 Euro in bar, zu einer Teilnahme an einem Seminar der Beklagten kam es nicht. Die Klägerin erklärte später den Widerruf und hilfsweise die Anfechtung des Vertrages und forderte die Rückzahlung des Geldes.

Die Klägerin trug vor, keine Mitteilung bekommen zu haben, dass kostenpflichtige Maßnahmen durchgeführt würden. Sie sei von der Beklagten überrumpelt worden, und ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie einen Vertrag abschließe. Am Messestand der Beklagten seien weder die Adresse noch Preise ausgeschrieben gewesen.

Die Beklagte war der Auffassung, der Vertrag sei gültig. Die Unerfahrenheit der Klägerin sei nicht ausgenutzt worden, und diese sei auch nicht überrumpelt worden. Der Widerruf sei unbeachtlich, da er verfristet sei.

Das Amtsgericht München erachtete die Klage für teilweise begründet und führte hierzu in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:

„Zwischen den Parteien ist zunächst wirksam ein Dienstleistungsvertrag zustande gekommen. […] Ein Nachweis der von der Klägerin behaupteten vor Abschluss des Vertrages erfolgten Überrumpelung bzw. Unter-Drucksetzen durch die Beklagte ist hingegen nicht gegeben.

Die Behauptung, der Klägerin sei die Situation wegen der Zuschauer unangenehm gewesen, ist insoweit jedenfalls kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin ohne Rechtsbindungswillen gehandelt haben soll.

Der Vertrag ist durch das anwaltliche Schreiben der Klägerin vom 10.05.2023 teilweise in einer Höhe von 500 Euro wirksam widerrufen worden.

Ein gesetzliches Widerrufsrecht liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor, da es sich bei der auf einer Messe getroffenen Vereinbarung nicht um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne von § 312 b BGB handelt.

Bei einem Messekauf kann zwar grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerrufsrecht bestehen, und ist im Einzelfall zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 07.08.2018, Az. C-485/17). In der zitierten Entscheidung hat der EuGH insoweit entschieden, dass kein Widerrufsrecht besteht, wenn ein Durchschnittsverbraucher den Messestand als Ort wahrnimmt, an dem der Unternehmer für gewöhnlich seine Tätigkeiten ausübt und er daher damit rechnen muss, zu kommerziellen Zwecken angesprochen zu werden, da der Messestand dann als Geschäftsraum einzuordnen ist.

Der BGH hat unter Bezugnahme auf das genannte Urteil entschieden, dass bei einer klassischen Verkaufsmesse ein Widerrufsrecht regelmäßig nicht besteht, weil ein Angebot zum Kauf hier keine Überrumpelung des Verbrauchers darstellt. Eine Ausnahme liegt nur bei einem reinen Informations- oder Werbestand vor (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VIII ZR 82/17).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich der Stand zum einen auf einer gewerblichen Messe befand, und zum anderen von der Beklagten Behandlungen durchgeführt, und somit Leistungen angeboten wurden. Außerdem wurden unstreitig verschiedene Gegenstände, und somit Waren, zum Kauf angeboten. Nach Auffassung des Gerichts bestehen im vorliegenden Fall daher keine Zweifel, dass es sich nicht um einen reinen Informations- oder Werbestand im Sinne der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung gehandelt hat.

Die Parteien vereinbarten jedoch ein vertragliches Widerrufsrecht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem vorgelegten vorformulierten Formular mit dem Titel „Widerrufsbelehrung“, welches von den Parteien auch unterzeichnet wurde. […]

Die Klausel, wonach ein vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts bei vollständiger Erbringung der Dienstleistung möglich sei, entspricht […] nach Auffassung des Gerichts der gesetzlichen Regelung nach § 356 Abs. 4 BGB, und stellt daher keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.

Mit Unterzeichnung der Belehrung ist die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingungen auch wirksam in den Vertrag eingebunden worden. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass mit sofortiger Erbringung des „Scans“ und der „Sitzung“ ein entsprechendes vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht erloschen ist. […]

Hinsichtlich der weiteren vertraglich vereinbarten Teilnahme an einem Seminar ist hingegen zu berücksichtigen, dass insoweit die Leistung von der Beklagten nicht sofort erbracht wurde, sodass insoweit das Widerrufsrecht auch nicht vorzeitig [erlosch].

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch bei einem vertraglich eingeräumten Widerrufsrecht die Widerrufsfrist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann zu laufen beginnt, wenn die Widerrufsbelehrung ausgehändigt wurde. […]

Im vorliegenden Fall wurde seitens der Beklagten unstreitig keine Kopie der […] Widerrufsbelehrung an die Klägerin ausgehändigt. Mangels entsprechender Aushändigung in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger begann die Widerrufsfrist nicht mit dem Vertragsabschluss am 06.06.2022 zu laufen. Dementsprechend war die Klägerin berechtigt, den Vertrag im Hinblick auf die Teilnahme am Seminar, welches vertraglich mit 500 Euro beziffert wurde, mit Schreiben vom 10.05.2023 zu widerrufen.

Aufgrund des insoweit wirksam erfolgten Widerrufs sind die diesbezüglich von der Beklagten bereits empfangenen Leistungen, nämlich den in bar erhaltenen Geldbetrag in Höhe von 200 Euro, zurückzugewähren, vgl. § 357 Abs. 1 BGB analog. Hierbei ist davon auszugehen, dass die Leistung ohne Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erfolgte. […]

Die streitgegenständliche Vereinbarung stellt ferner kein sittenwidriges Rechtsgeschäft im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB dar.

Zwar handelt es sich im vorliegenden Fall um Leistungen der Beklagten aus dem wissenschaftlich nicht anerkannten Bereich der Esoterik. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen die guten Sitten annehmen zu können. Insoweit überwiegt die von der Rechtsordnung zu gewährende Privatautonomie. […]

Auch liegt eine wirksame Anfechtung des Vertrages nicht vor.

Es ist insoweit mangels schlüssigen Vortrags der Klagepartei bereits kein Anfechtungsgrund erkennbar. Inwieweit insbesondere eine etwaige „Überrumpelung“ oder „Unter-Drucksetzen“ eine arglistige Täuschung oder eine Drohung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB darstellen soll, ist für das Gericht nicht ersichtlich und nachvollziehbar.“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Amtsgericht München

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