BRAK, Mitteilung vom 12.10.2023
Bemerkt ein Anwalt, dass seine Mitarbeiterin einen Schriftsatz an das falsche OLG adressieren will, muss er sie konkret anweisen und ggf. überwachen.
Bemerkt ein Rechtsanwalt, dass seine Mitarbeiterin für einen Schriftsatz im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) bereits das falsche Gericht ausgewählt hat, so muss er sie entweder so konkret und bestimmt anweisen, dass kein Interpretations- und Entscheidungsspielraum mehr besteht, so der Bundesgerichtshof (BGH). Dies könnte dazu führen, dass keine spätere Kontrolle mehr notwendig ist – wobei sich der BGH an dieser Stelle nicht festlegte. In jedem Fall bestehe aber eine Pflicht zur nachträglichen Kontrolle der Mitarbeiterin, wenn die Anweisung zur Korrektur eben nicht so klar und eindeutig gewesen ist (BGH, Beschluss vom 31.08.2023, Az. III ZB 72/22).
Welches ist hier das „hanseatische“ Oberlandesgericht?
Die Verwechselung der besagten Mitarbeiterin in dem Fall ist zunächst einmal durchaus nachvollziehbar: Denn ihre Aufgabe war, die Berufungsschrift an das „Hanseatische Oberlandesgericht“ zu schicken, welches die amtliche Bezeichnung für das OLG Hamburg ist. Allerdings fand sich Gesamtverzeichnis des beA nur das „Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen“. Das OLG Hamburg war einfach nur unter einer nicht-amtlichen Bezeichnung als „Oberlandesgericht Hamburg“ gelistet.
Dem Rechtsanwalt, für den die Mitarbeiterin tätig war, fiel der Fehler noch vor dem Versenden auf. Wie er aber darauf tatsächlich reagierte, darin scheiden sich die Geister – bzw. die eidesstattlichen Versicherungen von Mitarbeiterin und Rechtsanwalt. Ihrer Erinnerung nach habe er folgendes gesagt: „Herr W. sichtete die von mir erstellte beA-Nachricht und fragte, warum das Gericht in Bremen säße, eigentlich zuständig wäre das Berufungsgericht in Hamburg. Hierauf antwortete ich, dass ich das nochmal prüfen und ggf. korrigieren würde.“ Er meinte hingegen, sich konkreter ausgedrückt zu haben: „Ich wies Frau D. darauf hin, dass das Berufungsgericht in Hamburg zuständig wäre und sie dies bitte ändern möge.“
Jedenfalls hatte sie es offenbar nicht als konkreten Auftrag, in jedem Fall das OLG Hamburg auszuwählen, verstanden. Stattdessen fand sie bei einer erneuten Suche weiterhin nur das OLG Bremen mit der Bezeichnung „hanseatisch“ und ging deshalb davon aus, Hamburg und Bremen unterhielten wohl ein gemeinsames OLG in Bremen. Sie versendete daraufhin die Berufungsbegründung an das falsche Gericht. Das führte zur Fristversäumnis. Das spätere Wiedereinsetzungsgesuch lehnten sowohl das OLG als auch der BGH ab.
BGH: Vertrauen war hier nicht angebracht, Kontrolle wäre besser gewesen
Zwar erkannten die Karlsruher Richter an, dass eine unklare Gerichtsbezeichnung durchaus Grund für eine Wiedereinsetzung sein könnte. Schließlich seien irreführende Bezeichnungen der Sphäre der Justiz zuzurechnen. Doch in diesem Fall sei dieses Risiko nicht die entscheidende Ursache für den Fehler gewesen, sondern der Fehler der Mitarbeiterin.
Für diesen trage der Anwalt das Überwachungsverschulden. Seine Anweisung zur Korrektur sei – zumindest laut eidesstattlicher Versicherung seiner Mitarbeiterin – zum einen zu unkonkret gewesen. Insbesondere die Aussage, sie solle das Ganze noch einmal „prüfen“ und „gegebenenfalls“ korrigieren, ließe zu viel Freiraum und Eigenverantwortung bei der Mitarbeiterin, die sich aufgrund ihres vorhergehenden Fehlers schon als nicht zuverlässig erwiesen habe. Auf die Richtigkeit dieses Prüfungsergebnisses hätte er daher zumindest nicht ohne eigene Kontrolle vertrauen dürfen. Dies gelte umso mehr, da der vorherige Fehler kein Verrutschen oder ein anderer Flüchtigkeitsfehler, sondern ein Denkfehler war, der sich wiederholen konnte.
Quelle: BRAK
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