LG Magdeburg, Pressemitteilung vom 22.11.2023 zum Urteil 10 O 701/19 vom 04.03.2020 (rkr)
Seit Ende September 2023 ist das am 04.03.2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer rechtskräftig. Die Kammer hatte die Klage eines Mannes aus dem Landkreis Friesland gegen die Stadt Thale abgewiesen. Der Mann hatte unter anderem von der Stadt Thale Schmerzensgeld von mindestens 200.000 Euro verlangt.
Der Mann hat gegen das Urteil des Landgerichts zunächst erfolglos Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Naumburg hat mit Beschluss vom 15.12.2020 (Az. 2 U 66/20) die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat der Mann den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe angerufen. Der BGH hat mit Beschluss vom 21.09.2023 (Az. VI ZR 357/21) die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Damit ist die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig geworden.
Nach Schilderung des Klägers, ist er am 13.07.2018 mit seiner Familie auf einem Teil des auf einem Waldgrundstück der Stadt Thale liegenden touristisch beworbenen „Harzer-Hexen-Stieg“ vom Hexentanzplatz in Richtung Thale gewandert. In Höhe des Brunhildenweges sei dann am frühen Nachmittag ein Baum auf den Kläger gestürzt, der schwer verletzt wurde und noch heute an einer Querschnittslähmung leidet.
Der Kläger meint, die beklagte Stadt habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Der Baum sei deutlich erkennbar abgestorben gewesen und wäre bei der Durchführung einer Baumschau sofort als Gefährdungsbaum ersichtlich gewesen und gefällt worden, sodass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher auch auf Wegen rechnen. Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich. Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko. Dementsprechend können und müssen auf Wanderwegen nicht sämtliche Gefahren ausgeschlossen werden. Würde man eine völlige Gefahrlosigkeit der Wanderwege fordern, müsste man auf reizvolle Routen im Bergland ebenso wie auf einsame Waldpfade im Flachland aus Haftungsgründen verzichten.
Auch nach der gesetzlichen Risikoverteilung aus § 22 Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt haftet selbst auf stark frequentierten und touristisch beworbenen Waldwegen der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im Verlauf der Jahre zugenommen hat. Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll.
Hinweis zu Rechtslage
22 Abs. 3 Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt
„Das Betreten und Nutzen der freien Landschaft geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für typische Gefahren, die vom Zustand des Waldes, vom Zustand der Wege und Landschaftselemente oder von waldtypischen forstlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen ausgehen. Der Grundbesitzer kann lediglich haftbar gemacht werden, wenn er diese Gefahren vorsätzlich herbeigeführt oder unter Missachtung von Rechtsvorschriften nicht beseitigt hat.“
Quelle: Landesportal Sachsen-Anhalt – Landgericht Magdeburg
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