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Weihnachtszeit ist Reisezeit

LG Köln, Mitteilung vom 30.12.2024 zum Urteil 7 O 152/24 vom 11.12.2024 (nrkr)

Weihnachtszeit ist Reisezeit. Aber welche Rechte habe ich, wenn mein Flug annulliert wird? Das Landgericht Köln hat nun in einem Fall entschieden, dass ein Fluggast Anspruch auf die volle Ausgleichszahlung aus der Fluggastrechte-VO hat. Dies gelte auch, wenn der ursprünglich gebuchte Flug annulliert und der Ersatzflug mehrere Stunden vorverlegt wurde, auch wenn dessen Ankunftszeit nur wenige Minuten nach der ursprünglichen Ankunftszeit liegt.

Die Klägerin ist darauf spezialisiert online-basiert Rechtsdienstleistungen im Bereich der Fluggastrechte anzubieten. Sie nimmt die Beklagte, eine große deutsche Fluggesellschaft, auf Zahlung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung (VO (EG) Nr. 261/2004; im Folgenden: Fluggastrechte-VO) in Anspruch. Diese Ausgleichsansprüche hatten insgesamt 23 Kunden der Beklagten an die Klägerin abgetreten.

Alle 23 Fluggäste hatten für den 02.09.2022 einen Flug von München mit planmäßiger Abflugzeit um 09:25 Uhr nach Göteborg und planmäßiger Ankunftszeit um 11:15 Uhr gebucht, der von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Flugentfernung beträgt 1042 km. Die Beklagte annullierte diesen Flug einen Tag vorher und bot diesen Kunden jeweils eine Ersatzbeförderung an, und zwar hinsichtlich sechs von ihnen ab München mit einer Abflugzeit um 06:45 Uhr und hinsichtlich der übrigen siebzehn ab München mit einer Abflugzeit um 06:50 Uhr. Durch die Ersatzbeförderung konnte das Endziel Göteborg (nach Zwischenstopp) um 11:37 Uhr erreicht werden.

Nachdem die Klägerin die Beklagte zunächst außergerichtlich ohne Erfolg zur Zahlung aufgefordert hatte, erhob sie Klage vor dem Landgericht Köln. Dabei fordert sie aus abgetretenem Recht der 23 Fluggäste für jeden von ihnen 250 Euro insgesamt 5.750 Euro Ausgleichszahlung. Die Beklagte hat sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, dass die Ansprüche der Fluggäste um 50 % zu kürzen seien, da diese nur geringfügig verspätet ans Endziel Göteborg gelangt seien.

Dieser Argumentation ist das Landgericht Köln dagegen nicht gefolgt. Es hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Kammer führt dabei in ihrer Entscheidung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zunächst aus, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften der Fluggastrechte-Verordnung vorliegend eröffnet sei, insbesondere sowohl der Abflug- als auch der Zielflughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates der EU liegen würden. Zudem sei ein Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO gegeben, da der Flug am 02.09.2022 annulliert worden sei. Dieser Ausgleichsanspruch sei auch nicht ausgeschlossen.

Zwar sehe die Verordnung einen Ausschluss vor, wenn die betroffenen Fluggäste über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet werden und ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend aber nicht gegeben.

Denn den Fluggästen, die lediglich einen Tag vor der planmäßigen Abflugzeit am 02.09.2022, nämlich am 01.09.2022, von der Annullierung informiert worden seien, sei nur eine Ersatzbeförderung mit einer planmäßigen Abflugzeit um 06:45 Uhr bzw. 06:50 Uhr und damit um weit mehr als 1 Stunde vor der ursprünglichen planmäßigen Abflugzeit um 09:25 Uhr angeboten worden. Mit Rücksicht auf die Flugentfernung sei daher eine Ausgleichsleistung in Höhe von 250 Euro pro Fluggast gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei – so das Landgericht Köln in seiner Begründung weiter – der Anspruch auch nicht nach Art. 7 Abs. 2 der Fluggastrechte-VO zu kürzen. Zwar würden dessen Voraussetzungen grundsätzlich vorliegen. Denn die Fluggäste hätten mit der angebotenen Ersatzbeförderung das Endziel Göteborg um 11:37 Uhr erreicht. Die Verspätung gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit um 11.15 Uhr habe demnach „lediglich“ 22 Minuten betragen und damit noch innerhalb der in der Fluggastrechte-VO vorgesehenen Grenze von zwei Stunden gelegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich das Landgericht Köln in dieser Entscheidung anschließt, sei die entsprechende Vorschrift jedoch dahingehend auszulegen, dass sie nicht für einen Fall gelte, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen – Verspätung am Zielflughafen von unter zwei Stunden – liege. Denn die erhebliche Vorverlegung eines Fluges führe zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten, die einen Ausgleichsanspruch rechtfertigen würden, da eine Vorverlegung den betroffenen Fluggästen die Möglichkeit nehme, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. Wäre in einer solchen Situation allein deshalb, weil der Fluggast ohne Verspätung bzw. in der zwei Stundengrenze am Endziel ankomme, stets eine Kürzung der Ausgleichszahlung zulässig, liefe dies dem mit der Verordnung verfolgten Ziel zuwider, die Rechte von Fluggästen zu stärken, die schwerwiegende Unannehmlichkeiten erleiden.

Das am 11.12.2024 verkündete Urteil zum Az. 7 O 152/24 ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Köln

Dieser Artikel erschien auf https://www.datev-magazin.de/?p=137466

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