LG Lübeck, Mitteilung vom 11.04.2024 zum Urteil 5 O 219/22 vom 15.02.2024 (nrkr)
Kein Schadensersatz nach Unterbringung und Fixierung im richterlichen Eildienst ohne Beteiligung eines Verfahrenspflegers
Der Hintergrund
Ein Mann wurde durch das Gesundheitsamt gegen seinen Willen in eine Klinik eingewiesen, nachdem er sich aggressiv gegenüber seinen Eltern verhalten hatte. Das Gesundheitsamt informierte das zuständige Amtsgericht von der Unterbringung. Denn eine solch einschneidende Maßnahme bedarf einer gerichtlichen Entscheidung. An dem Amtsgericht wurde das Verfahren durch den richterlichen Bereitschaftsdienst übernommen. Dieser ist für eilige Entscheidungen außerhalb der regulären Geschäftszeiten zuständig. Der Bereitschaftsrichter wollte den Mann noch am selben Abend anhören und eine Entscheidung treffen. Um die Rechte des Mannes ausreichend zu schützen, war der Richter verpflichtet, ihm zuvor eine sogenannte Verfahrenspfleger*in als Interessenvertreter*in zu organisieren. Zwar erklärte sich ein Rechtsanwalt zur Übernahme der Verfahrenspflegschaft bereit. Er hatte aber an diesem Abend keine Zeit. Trotzdem hörte der Richter den Mann an und ordnete dessen weitere Unterbringung für längstens weitere 5 ½ Wochen an. Am folgenden Tag wurde der Mann in der Klinik mittels Gurten um den Bauch sowie an seinen Hand- und Fußgelenken fixiert. Die Klinik informierte das zuständige Amtsgericht. Wieder war der richterliche Bereitschaftsdienst zuständig. Erneut hörte der zuständige Richter den Mann an, ohne ihm zuvor eine Verfahrenspfleger*in an die Seite zu stellen und ordnete dessen Fixierung bis längstens zum übernächsten Tag an.
Der Mann wehrte sich vor dem Landgericht Lübeck gegen die Anordnungen des Bereitschaftsrichters. Mit Erfolg. Insbesondere bewerteten die Richter die Anordnung der Fixierung des Mannes als rechtswidrig. Vor der gerichtlichen Entscheidung hätte zwingend eine Verfahrenspfleger*in hinzugezogen werden müssen.
Der Kläger begehrte nunmehr in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Lübeck Schmerzensgeld wegen der Maßnahmen.
Die Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage des Mannes abgewiesen.
Das Gericht führt hierzu aus, dass es die Entscheidungen des Richters im Bereitschaftsdienst nur eingeschränkt überprüfen dürfe. Es komme nicht darauf an, ob die Entscheidung sachlich richtig, sondern ob sie vertretbar sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Entscheidungen über die Unterbringung und Fixierung von Personen kurzfristig erfolgen müssten. Anderenfalls drohte in der Regel eine Gefahr für den Betroffenen oder Dritte. Der Mann könne daher nur dann Schadenersatz verlangen, wenn dem Bereitschaftsrichter eine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Insbesondere folge dies nicht aus der fehlerhaften Nichtbeteiligung einer Verfahrenspfleger*in. Der Richter hatte schließlich erfolglos versucht eine Verfahrenspfleger*in zu organisieren. Diesbezüglich berücksichtigte das Gericht, dass es – anders als für die Richter*innen – im Bezirk des zuständigen Amtsgerichts keinen Bereitschaftsdienst für Verfahrenspflegerinnen gebe. Hätte der Richter aber mit der Anhörung weiter gewartet, hätten die Unterbringung und die Fixierung des Mannes nicht mit der gebotenen Unverzüglichkeit gerichtlich überprüft werden können.
Vielmehr sei die Anhörung und Entscheidung in Abwesenheit einer Verfahrenspfleger*in „unter diesen Umständen die beste Möglichkeit zum Schutz der Rechte des Klägers“ gewesen.
Das Urteil vom 15.02.2024 (Az. 5 O 219/22) ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Landgericht Lübeck
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